Wie Tau im Wuestensand
eine Knochenstruktur zog, die ihr bis ins hohe Alter Eleganz
verleihen würde. Ihr Haar war dicht und lang und umgab ihre perfekten
Gesichtszüge mit haselnußbraunen Locken. Ihre jadegrünen Augen lagen
aufregend weit auseinander. Ihr Mund wies einen verlockenden Schwung auf, als
müsse sie ein wenig lächeln, oder als würde sie zu einem Kuß ansetzen.
Und doch war da noch mehr als nur
das. Die Frau besaß eine durch und durch sinnliche Ausstrahlung mit einer unterschwelligen
Herausforderung, die jede männliche Vorstellungskraft reizen mußte.
»Sie ist ... die schönste Frau, die
ich jemals gesehen habe«, bemerkte Holly schließlich.
»Klar.« Seine Mund zog sich bitter
zusammen. »Meine Mutter hat mich fünf Monate nach der Hochzeit mit meinem
Vater geboren. Damals war mein Vater ein einflußreicher Agent in Hollywood –
und sie ein Fotomodell, das Filmstar werden wollte.«
»Ich
verstehe warum. Die Kamera schmeichelt ihr.« Grimmig starrte er auf das Bild.
»Schwangere Filmschauspielerinnen
waren nicht besonders gefragt, demnach mußte ich ein Versehen gewesen sein«,
schnaubte er. »Ich war gerade fünf Wochen alt, als mein Großvater starb und
meinem Vater seine Ranch vermachte.«
Holly blickte zu Linc auf. Er
erschien ihr wie eine große, männliche Version des Fotos in ihrer Hand. Mit
demselben Charisma, demselben Lebenshunger, auch wenn er den bösen Mann
spielte.
»Paps war froh hierherzukommen«,
berichtete Linc weiter. »Er hatte nicht gerne als Agent gearbeitet, aber mein
Großvater und er sind nie gut miteinander klargekommen.«
»Und deine Mutter?«
»Sie langweilte sich hier. Meine
frühesten Erinnerungen sind Auseinandersetzungen, bei denen sie sich um die
jeweiligen Vorzüge von der Ranch oder Hollywood stritten.«
Linc fuhr sich durchs Haar, das
demjenigen seiner Mutter ähnelte: dicht, braun, glänzend. Sogar sein Blick
ähnelte ihrem, grün und hoffnungsvoll.
»Als ich drei war, war meine Mutter
schon lange wieder Fotomodell. So nannte sie es jedenfalls. Dann und wann hat
sie wohl auch mal Kleider vorgeführt, die allerdings nicht von meinem Vater
stammten.«
Hollys Lider zuckten, als Lincs
schmerzverzerrte Stimme in ihr Ohr drang.
»Die fällige Erbschaftssteuer hat
ihm fast das Genick gebrochen«, sagte er. »Er hat die Ranch behalten, aber
sonst nichts! Und er hat geschuftet. Allmächtiger, das hat er wirklich! Von
früh bis spät und oft nach Sonnenuntergang.«
»Für sie ist es sicherlich auch
nicht einfach gewesen«, warf Holly zögernd ein.
»Sie war davon gar nicht betroffen. So
eine doch nicht. Sie ging nach Palm Springs. Da es kein Geld für Babysitter
gab, hat sie mich zu ihren angeblichen Studioterminen mitgenommen.«
Holly atmete tief durch. Die Wut in
seiner Stimme hätte Metall ätzen können.
»Ich weiß nicht mehr genau, wie alt
ich war, als ich merkte, daß meine Mutter überhaupt nicht für Garderobe Modell
stand«, sagte Linc. »Ich habe dann viele Stunden in abgeschlossenen Autos auf
den Motelparkplätzen verbracht.«
Tränen brannten in Hollys Augen,
aber sie schwieg. Denn, wenn sie ihn jetzt unterbrechen würde, spräche er
vielleicht nie wieder darüber.
»Mit sieben Jahren sperrte sie mich
das letzte Mal ein«, setzte er fort.
Er sah durch Holly hindurch,
fixierte auf eine Vergangenheit, die zu schmerzhaft zum Erinnern und zu brutal
zum Vergessen war.
»In dem Auto kochte es«, sagte er.
»Himmel noch mal, war das heiß! Ich wartete und wartete, daß sie endlich
zurückkäme. Schließlich bin ich eingeschlafen. Als ich aufwachte, war es
dunkel, und mich fröstelte.«
Sieben, dachte Holly entsetzt. Er war
erst sieben Jahre alt und in einem Auto mutterseelenallein eingeschlossen. Er
hätte darin umkommen können.
»Ich wartete.« Linc stockte kurz.
»Niemand kam. Ich wollte aussteigen, aber für solche Eigenmächtigkeiten pflegte
meine schöne Mutter mich zu schlagen.«
Holly biß sich auf die Unterlippe,
um die aufsteigenden Kommentare und ihren Schrecken zu unterdrücken. Jetzt
wurde ihr klar, wie tief sein Haß auf weibliche Schönheit saß. Und durch welch
harte Lektionen er entstanden war.
»Es ist kaum zu glauben, wie sehr
sich ein Kind ängstigen kann«, fuhr Linc mit gleichmäßiger Stimme fort. »Als
mich mein Vater am nächsten Morgen fand, war ich vollkommen außer mir.«
Am liebsten hätte Holly ihm verboten
weiterzusprechen, denn das Wissen von seinem Schmerz und seinen Verletzungen
tat ihr unbeschreiblich weh.
Tränen rannen ihre
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