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Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)

Titel: Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shelle Sumners
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mich die Prügel. Sie hatten so nett gewirkt, dabei waren sie Rabeneltern! Wie konnte ich ihnen jetzt noch in die Augen sehen, nachdem ich wusste, was sie ihm angetan hatten? Sanft umfasste ich Tys Hand mit meinen Händen und atmete mit meinen schmerzenden Lungen zittrig ein. Ich fühlte mich kaum noch high.
    »Was hast du denn?«
    »Es tut mir so leid!«, sagte ich. »Ich wünschte, sie hätten dir das nicht angetan.«
    »Was, die Prügel? Verdammt, Grace, haben dir deine Eltern nicht auch ab und zu den Hintern versohlt?«
    »Niemals!«
    Er seufzte. »Sie haben es aus Liebe zu mir getan. Um mir Vernunft beizubringen. Weil ich ihnen Angst eingejagt und sie auf die Palme gebracht habe. Glaub mir, ich war unmöglich.«
    Das glaubte ich unbesehen.
    »Auch wenn du das komisch findest, aber so werden die Kinder in meiner Familie nun mal erzogen.«
    »Womit haben sie dich geschlagen?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Mit einem Gürtel. Einem Zollstock. Einem Verlängerungskabel. Einer Fliegenklatsche. Einem Badmitten-Schläger.«
    »Minton«, verbesserte ich.
    »Was?«
    »Minton. Bad minton , nicht -mitten.«
    »Wie auch immer. Sie haben mich mit allem geschlagen, was gerade greifbar war. Aber nur, wenn sie mich erwischt haben.«
    »Du bist weggelaufen?«
    »Na klar! Bis meine Mutter manchmal so lachen musste, dass sie es aufgeben musste, mich einzufangen.«
    Die waren ja völlig durchgeknallt, diese Leute!
    Er legte einen Arm um mich und schüttelte mich sanft. »Komm, sing noch ein bisschen den Mond an.«
    »Hab keine Lust mehr«, erwiderte ich mürrisch.
    »Wenn du nicht singen willst, tu ich es.«
    »Leg los.«
    Er blickte hinauf zu Lillian Gish, die über uns weinte, und fing an, mit den Fingern zu schnippen.
    » Fly me to the moon «, sang er in einer lauten, perfekten Imitation von Frank Sinatra, » and let me play among the stars. Play? « Er sah mich an. »Heißt es play among the stars ?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    » Da da da da da da da on Jupiter and Mars.«
    »Hey, das ist der gleiche Text wie in diesem einen Willie-Nelson-Song.«
    »Entschuldige, aber ich versuche gerade zu singen.«
    »Sing Moon River .«
    Ohne zu zögern begann er gehorsam mit der Sinatra-Blökstimme: » Moooon RIV-er …«
    »Nein, nicht so«, nörgelte ich und packte ihn am Revers seiner offenen Jacke. »Sing es richtig.«
    Lächelnd hielt er meine kalten Handgelenke fest. »Ich weiß den Text aber nicht.«
    »Kennst du die Melodie?«
    »Ich glaube schon.«
    Er begann zu summen. Die Melodie kannte er.
    Uns fiel der Text nicht ein, nur ein paar Wörter, aber das machte nichts.
    Er sang die drei schönsten Wörter in diesem Lied, langsam, gefühlvoll. My huckleberry friend . Ich ließ sie auf mich wirken und sie schärften all meine anderen Wahrnehmungen – die kalte, frische Luft, die silbrigen Bäume. Ich blickte über seine Schulter hinauf zum lieben Gesicht des Mondes. Was hatte ich in meinem Leben getan, um so einen wundervollen kleinen Moment zu verdienen?
    Ty drückte sanft meine Handgelenke. »Grace. Wie geht der Text weiter?«
    Widerstrebend wandte ich den Blick vom Mond ab und sah ihn an. Mein Kopf war vollkommen leer. Und so sollte es bleiben. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Na dann. Lass uns gehen, Zombiefrau. Hast du Hunger?«
    »Unbändigen!«
    »Noch ein prima Wort für Gram! Komm.«
    Es gab Schokolade.

Klappsessel, Kater und Knospen
    Käsedip. Genau. Ich hatte einen Geschmack im Mund, als hätte ich vor dem Einschlafen noch mengenweise Käsedip vertilgt. Möglicherweise hatte ich das auch.
    Im Geiste ging ich noch einmal die Fressattacke durch, die unserem illegalen Drogenkonsum gefolgt war. Ich erinnerte mich, Folgendes vertilgt zu haben (ungefähr in dieser Reihenfolge): ein halbes Riesen-Kit-Kat, zwei Roggenbrote, eines mit Schinken, eins mit Schweizer Käse, zwei koschere Dillgurken, unzählige, mit Nacho-Käsesauce gefüllte Brezeln sowie vierzehn Jelly Bellies mit Wassermelonengeschmack – jede einzelne handverlesen von meinem Drogendealer, der darauf achtete, dass ich nicht aus Versehen eine Chili-Geleebohne erwischte.
    Gegen ein Uhr sagte ich gute Nacht und schlief auf der Bettdecke in meinen Klamotten. In dem Vertrauen, dass die Schwerkraft meine Freundin war und ich nicht einen Jimi-Hendrix-Kotztod sterben würde.
    Als ich aufwachte, war mir übel. Ich lag flach auf dem Rücken im grauen Novembermorgenlicht. Sämtliche Kissen waren auf den Boden gefallen. Ich setzte mich auf, blinzelte und stieß einen

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