Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
nicht schon mal? Die Sache mit den Kalorien?«
Bill winkte ab. »Dieses Buch ist für Wisconsin bestimmt. Die sind ganz groß in Milchprodukten.«
»Ich weiß nicht …«, wandte ich ein. »Ich meine, Jefferson hat die Unabhängigkeitserklärung verfasst. Ich finde schon, dass wir ein Porträt von ihm aufnehmen sollten.«
»Aber man kennt ihn doch. Er ist auf der Vierteldollarmünze abgebildet.«
»Auf dem Fünfcentstück«, berichtigte Ed.
»Ist doch egal«, erwiderte Bill.
Ich stand auf und raffte meinen Block, meinen Stift und die Mappen zusammen.
»Wo gehst du hin, Grace?«, fragte Bill.
»Würdet ihr mich bitte entschuldigen? Ich fühle mich nicht wohl.«
»Natürlich, geh ruhig, Ed und ich bringen das hier zu Ende.«
Ich kehrte an meinen Arbeitsplatz zurück und googelte New York City gemeinnützige Arbeit . Von dort aus ging ich weiter zu Idealist.org und fand mehrere Arbeitsstellen, bei denen eine Bewerbung lohnte – Assistentin der Geschäftsleitung und Koordinatorin für freie Stellen bei Organisationen für Obdachlose und Menschen mit Behinderung.
Dann las ich eine Anzeige, die meinen schlummernden Lebensfunken anfachte – kurz, aber hell. Eine städtische Gesundheitsorganisation suchte Mitarbeiter für lokale Aufklärungskampagnen. Sogar ein vorheriges Training wurde angeboten. Ich setzte mich kerzengerade in meinem Stuhl auf. Das lag mir! Das würde mir Spaß machen! Es wäre wundervoll, mit meiner Arbeit wirklich etwas Nützliches zu bewirken. Vielleicht bot sich damit sogar eine Gelegenheit, die Schuldgefühle wegen des verkorksten Gesundheitsratgebers für Teenager abzubauen.
Ich las die Stellenanzeige noch einmal sorgfältig durch und verbrachte die nächste Stunde damit, ein Schreiben an die Direktorin zu verfassen. Ein engagiertes Schreiben, in dem ich betonte, wie gerne ich mich dafür einsetzen würde, dass die Menschen, besonders Jugendliche, vernünftige Informationen rund um das Thema Sexualität erhielten.
Ich öffnete meinen Lebenslauf und ging ihn noch einmal durch. Ich hatte während des Studiums an der Rezeption der Uniklinik gejobbt. Vielleicht sollte ich hinzufügen, dass ich mehrere Veranstaltungen über Genderstudien und Sexualität besucht hatte. Ansonsten hatte ich nach der Schule immer nur Verlagsarbeit geleistet. Alles, was ich je gewesen war und hatte sein wollen, war Lektorin. Nicht gerade die ideale Voraussetzung für eine Arbeit als Gesundheitsberaterin. Ich musste davon ausgehen, dass Hunderte, ja Tausende von anderen, qualifizierteren Bewerberinnen in diesem Moment Senden anklickten. Doch wenigstens unternahm ich etwas, um mein jämmerliches Leben zu verändern, und das fühlte sich großartig an. Es war ein Anfang.
Ich war nicht darauf vorbereitet, kam aber nicht darum herum: Das allmonatliche Mittagessen mit Julia stand bevor.
Ich schlug ein Restaurant mit weihnachtlicher Atmosphäre vor, das neben der Eislaufbahn am Rockefeller Center lag. Ich hoffte darauf, dass ihr Faible für Weihnachten ihr helfen würde, die schlechte Nachricht zu verdauen, die ich ihr überbringen musste.
Nein, ich hatte ihr noch nicht erzählt, dass die Heirat ins Wasser fiel. Weshalb ich ziemliche Gewissensbisse hatte. Dan wusste Bescheid, er hatte mir die wesentlichen Tatsachen mit E-Mails und beim Chatten entlockt. Sollte Julia jemals herausfinden, dass er früher etwas gewusst hatte, würde sie das sehr verletzen.
Sie erwartete mich an einem Tisch mit Blick auf die Eislaufbahn. Als sie mich kommen sah, stand sie auf, ging auf mich zu und fasste mich an den Schultern. »Mein Gott, du siehst ja furchtbar aus! Bist du krank gewesen? Warum hast du mich nicht angerufen?«
»Mir geht’s gut. Ich hatte nur ein paar Probleme mit meinem Magen.«
»Warst du beim Arzt?«
»Mir geht es schon besser. Wirklich.« Mit gerunzelter Stirn drückte sie meine Arme. »Setzen wir uns, bitte.«
Julia sah umwerfend aus. Sie trug ein rotes Strickkleid mit Rollkragen, große silberne Kreolen und Stiefel mit dünnen hohen Absätzen.
»Du siehst großartig aus, Mom.«
Sie errötete vor Freude. »Das Kleid hat mir José geschenkt. Schon zu Weihnachten.«
»Wow, mit euch beiden ist es wohl ernst?«
»Nein, wir führen eine lockere, offene Beziehung. Wir treffen uns auch mit anderen.«
»Damit bist du einverstanden?«
Sie lachte verlegen. »Ich habe darauf bestanden.«
Der Kellner kam. Julia bestellte einen Salat für sich und sagte: »Und du nimmst Nudeln mit viel Butter und Sahne.« Und
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