Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
beraten.«
»Ja. Sie sollten über altersbedingte physische und psychische Veränderungen aufgeklärt werden, darüber, wie sie ihre Lust steigern können, über Lösungen für Erektionsprobleme sowie den Schutz vor HIV und anderen Infektionen.« Sie warf einen Blick auf meinen Lebenslauf. »Wir brauchen Leute, die Spanisch können. Sprechen Sie Spanisch?«
Ich hatte Spanisch auf der Highschool und durch das Lesen der Werbung in der U-Bahn gelernt. Oh, und weil ich mir samstagabends nach den Golden Girls oft die spanischsprachige Varietéshow Sábado Gigante ansah, was ich jedoch niemals jemandem verraten würde. »Ich kann es verstehen und einigermaßen sprechen. Nicht fließend, aber ich könnte mich weiterbilden.«
Sie wirkte skeptisch, schien aber sehr an meinen Schreib- und Lektoratsfähigkeiten interessiert zu sein. Mehr zu sich selbst sagte sie: »Vielleicht könnten wir Sie teils als Beraterin und teils für unsere internen Publikationen einsetzen.«
»Natürlich! Wie immer Sie wollen.«
Sie sah mich lange und nachdenklich an. Ich versuchte, aufgeschlossen und wie die ideale Bewerberin für diesen Job auszusehen. Ich bin keine Person mit riesigen Beziehungsschwierigkeiten und einem gebrochenen Herzen. Ich weine mich nicht jeden Abend in den Schlaf. Ich bin klug und fröhlich! Ich bin normal und gesund! Ich habe heute mehr gegessen als fünf Schokoladenbonbons und eine Schale chinesische Fertigsuppe!
»Erzählen Sie mir ein bisschen über sich, Grace. Etwas, das nicht in Ihrem Lebenslauf steht.«
Ruhig und forschend sah sie mich an.
»Na ja«, sagte ich, »ich habe vor kurzem meine Verlobung gelöst.«
»Sie wollten heiraten?«
Ich nickte. »Kennen Sie jemanden, der günstig ein Hochzeitskleid von Vera Wang kaufen möchte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Aber ein Stück die Straße runter gibt es ein Geschäft, dem könnten Sie es spenden. Der Erlös des Verkaufs geht an Organisationen für Pflegekinder.«
Ich war begeistert. Sie schrieb mir den Namen des Geschäfts auf.
Sie fragte mich, warum ich mich für eine so drastische Veränderung in meinem Berufsleben entschieden habe. Ich erzählte ihr von dem Gesundheitsbuch und dass die Arbeit daran für mich ein derartiger moralischer Kompromiss gewesen war, wie ich ihn nicht noch einmal erleben wollte.
Sie nickte. Wieder blickte sie auf meinen Lebenslauf, mit absolut undurchdringlichem Gesicht. Stand auf und reichte mir die Hand.
Als ich ging, hatte ich keine Ahnung, wie das Gespräch gelaufen war.
Am Ende der Woche beraumte Bill ein Meeting wegen des amerikanischen Geschichtsbuchs an. Er hatte die Fahnen durchgelesen und fand sie offensichtlich schlecht.
»Das«, sagte er und blätterte mit dem Daumen das dicke Manuskript durch, »ist das Langweiligste, was ich je gelesen habe.«
»Ach, wirklich?«, erwiderte Ed. »Aber wir haben die freien Autoren angeheuert, die du empfohlen hast.«
»Ich weiß. Wir müssen ihnen klarmachen, dass sie den Text ein bisschen pimpen müssen.«
»Bill«, begann ich. »Könntest du uns bitte erklären, was du mit ›pimpen‹ meinst?«
»Sagt ihnen, es sollte mehr … ich weiß nicht, sexy klingen.«
»Geschichte für die sechste Klasse. Sexy.«
»Ja. Aufregender eben.«
Ich umklammerte den Rand des Konferenztischs. Wie gut, dass ich keine Superkräfte hatte!
»Ich verstehe«, sagte ich mit anschwellender Stimme, »und, Bill, wenn unsere Sechstklässler dann ganz erregt sind von dem sexy Geschichtsbuch, sollen wir ihnen dann raten, abstinent zu bleiben? Oder wäre es okay, wenn wir das Wort KONDOM benutzten?«
Ed klopfte mir auf die Schulter. Ich schüttelte seine Hand ab.
»Nun«, sagte Bill, »ich glaube, wir sind jetzt fertig.«
»O prima!«, sagte ich. »Denn ich war kurz davor, auf diesen großen, glänzenden Tisch zu KOTZEN!«
»Grace«, sagte Bill, »du hast die Beherrschung verloren. Beruhige dich.«
»Okay, wie du willst, Bill!«
»Grace«, sagte Ed mit besorgter Miene.
»Grace«, sagte Bill, »du bist nicht besonders glücklich hier, oder?«
Ich stieß ein freudloses Lachen aus. »Nein, Bill, nicht besonders.«
»Dann erwarte ich deine Kündigung morgen früh auf meinem Schreibtisch.« Er stand auf und verließ das Zimmer.
Ich sah Ed an.
»Gratuliere«, sagte er verbittert. »Und wer soll jetzt den Frust mit mir wegsaufen?«
Grau
Und so bezog ich wieder mein altes Zimmer, in dem ich gleich nach dem College gewohnt hatte, als ich gerade erst erwachsen geworden war und ganz genau wusste,
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