Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
»Nachdem sie etwas gegessen hatte, spielte sie merklich schlechter. Der Regisseur war sauer auf mich.«
»Trotzdem hast du das Richtige getan.«
»Der Song klingt jetzt lächerlich, sie haben ihn zu sehr aufgemotzt. Es war nur eine leise, kleine Melodie, weißt du? Ich habe das Gefühl, sie haben sie ruiniert.«
Er sollte jetzt bloß nicht mit dem Song anfangen.
»Ich habe Dave gesagt, dass ich das nächste Album in New York aufnehmen wolle, nicht mehr in L. A. Da ist es so anders. Ich habe das Gefühl, dass ich hier besser beurteilen kann, wie ein Song sich anhören soll.«
»Klingt einleuchtend.« Als hätte ich irgendetwas darüber gewusst, wie ein Album entstand. Außerdem konnte ich nicht mal den Titel des Songs lesen, ohne dass sich mir die Kehle zuschnürte. Aber ich konnte es auch nicht ertragen, wie enttäuscht er klang. »Ich finde den Song wunderschön, Ty. Richtig bewegend.«
»Wirklich? Er hat dich berührt?«
»Ja, absolut.« Er sah mich forschend an. Ich richtete den Blick auf ein Zuckertütchen und las die Aufschrift, bevor er in meinen Augen all die lächerlichen und peinlichen Gefühle las, die für immer verborgen bleiben mussten.
»Willst du denn gar nichts essen?«, fragte er nach einer Weile.
Ich nahm die Gabel in die Hand und zwang mich, einen Bissen Reis zu essen. Doch die meiste Zeit beobachtete ich ihn verstohlen, bis er mich erwischte.
»Was ist denn?«, fragte er und tunkte eine Frühlingsrolle in Sojasauce.
»Du bist ganz schön muskulös.« Es kam seltsam anklagend heraus.
»Was? Ach so.« Er sah hinunter auf seinen Bizeps, über dem das Hemd spannte. »Ich mache Liegestütze.«
Ich reagierte gereizt. »Das ist bestimmt nützlich.«
»Wie jetzt?«
»Um besser anzukommen.«
»Es schadet jedenfalls nicht.«
»Da bin ich ganz sicher.« Würde mich vielleicht jemand aufhalten?
»Ich kann es nicht leugnen.« Er legte die Gabel hin und wischte sich den Mund mit der Serviette ab. »Aber glaub mir, für mich ist das nicht wirklich wichtig.«
»Entschuldige«, sagte ich. »Geht mich ja auch gar nichts an.«
Er schob seinen Teller beiseite. »Warum glaubst du, so viel über mein Sexualleben zu wissen?«
Ich platzte heraus, ohne vorher nachzudenken. »Glaubst du etwa, dass sich die Leute nicht im Internet darüber auslassen, was sie mit dir erlebt haben?«
»Lass uns zur Abwechslung mal über dich reden«, sagte er kurz angebunden und schmiss die zusammengeknüllte Serviette auf seinen Teller. »Mit wem gehst du denn zurzeit ins Bett?« Ich versuchte, unserem Gespräch etwas die Gereiztheit zu nehmen. »Mit niemandem. Ich habe mich in eine Jungfrau zurückverwandelt.«
»Du lügst«, sagte er.
»Ich lüge nie«, log ich.
Er schenkte sich eine Tasse Tee ein, gab Zucker hinein und trank langsam, wobei er beobachtete, wie ich mit dem Reis spielte und ein paar weitere Bissen hinunterwürgte, obwohl ich überhaupt keinen Hunger hatte und mein Kopf hämmerte.
Offenbar konnte ich nicht mal mehr mit ihm essen gehen, ohne dass es mich buchstäblich krank machte.
Wir verließen das Restaurant, gingen zur Bleecker hinunter und in Richtung Westen.
»Komm mit und schau dir mal meine Wohnung an«, schlug Ty vor.
»Nein.« Ich fühlte mich zu krank, um mir auch nur eine höfliche Ausrede einfallen zu lassen.
»Komm schon, nur für eine Minute. Da vorne ist es.«
Er zeigte auf ein Gebäude auf der anderen Straßenseite. Ich war entsetzt. Er wohnte nur ein paar Straßen von mir entfernt! Kein Wunder, dass ich ihm schon zwei Mal über den Weg gelaufen war.
»Na, komm«, sagte er.
O Gott, ich sehnte mich nach meinem Bett. »Gut, aber nur für ein paar Minuten, dann muss ich gehen.«
Er wohnte in einem Haus mit Portier, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die er zu kaufen beabsichtigte. Ich betrat sie und ging die paar Stufen ins abgesenkte Wohnzimmer hinunter.
»Schön«, sagte ich mit einem Blick auf das Klavier und das bequem aussehende weiße Sofa. »Es fehlen nur noch ein paar Möbel.« Zitternd schlug ich die Arme um mich. »Und du solltest vielleicht mal die Heizung aufdrehen, es ist ja eiskalt hier drin!«
Er sah mich merkwürdig an und warf seine Jacke auf die Couch. Er zeigte mir das kleine, aber völlig ausreichende Badezimmer mit alten, fliederfarbenen Kacheln, die mir recht gut gefielen. Im Schlafzimmer standen nichts als ein Bett mit zerknüllter Bettwäsche, ein Stuhl, ein Verstärker und vier Gitarren mit einem Wust von Kabeln. Die Küche war klein, aber mit Geräten aus
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