Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
leeren Zeilen in meinen Formularen bemerkt hatte, fragte sie taktvoll, wer mich nach der Geburt des Babys unterstützen würde.
»Wahrscheinlich meine Mitbewohnerin«, antwortete ich. »Und meine Mutter.«
Sie notierte sich das in meiner Akte. »In der zwanzigsten Woche führen wir eine Ultraschalluntersuchung durch. Sie können vorne schon mal einen Termin vereinbaren, bevor Sie gehen.«
Ich war unfassbar müde, und mir war auch oft übel. Es half, wenn ich regelmäßig kleine Portionen aß und keinen Hunger aufkommen ließ.
Meine BHs wurden zu klein. Meine vorher blassrosa Brustwarzen wurden hellbraun, und meine Brüste sahen aus wie Landkarten, so deutlich zeichneten sich die Adern unter der Haut ab.
Ich sehnte mich nach Ty. Ich wünschte, er hätte sehen können, wie sich mein Körper veränderte. Doch ich rief ihn nicht an. Ich wollte es vermeiden, solange ich in einem vollkommen irrationalen oder hochsensiblen Zustand war. Und das war ich praktisch ununterbrochen.
Im November nahm sich Peg ein Wochenende frei, und wir fuhren mit dem Zug nach Boston. Ed und Boris heirateten.
Es war eine kleine Hochzeit, hübsch und unkompliziert. Sie fand in einer historischen Unitarierkirche statt. Ich beobachtete, wie Ed und Boris miteinander umgingen und wunderte mich, wie sich ausgerechnet in New York zwei Männer finden konnten, die sich eine lebenslange Bindung wünschten.
Ich vermisste Ty schmerzlich und wünschte, zwischen uns wäre es anders gewesen.
Ich berührte meinen Bauch, in dem deutlichen Bewusstsein, nicht mehr allein zu sein. Wir waren zu zweit.
Noch nie zuvor hatte ich bei einer Hochzeit geweint, aber bei der Lesung des Textes Von der Liebe aus dem Propheten von Khalil Gibran hatte ich plötzlich nah am Wasser gebaut. Peg reichte mir ein Taschentuch.
Als wir uns in die Empfangsschlange einreihten, hakte sie mich unter.
»Warum rufst du Ty nicht endlich an?«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Sag ihm einfach, dass er Vater wird.«
»So einfach ist das nicht, Peg.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe Angst.«
»Angst? Wovor?«
»Das ist schwer zu erklären. Außerdem würde das auch nichts ändern. Er ist immer noch auf Tour, und ich bin in New York.«
»Trotzdem muss er es wissen. Er muss Verantwortung übernehmen.«
»Ich weiß. Lass mich entscheiden, wann, ja? Ich sag’s ihm, sobald man etwas sieht.«
»Versprich es mir.«
»Versprochen.«
Als wir nach Hause zurückkehrten, brach ich ein anderes Versprechen und ging in Tys Forum. Ich wollte herausfinden, was er so machte, bevor ich ihn anrief.
Die Quintessenz des Klatschs lautete, seine Auftritte seien toll, aber er haue nicht mehr so sehr auf den Putz wie während seiner Zeit in L. A.
Ob es ihm nicht gut ging? Ich hätte ihn gerne angerufen, ihn gefragt. Aber ich tat es nicht.
An Thanksgiving fuhren Peg und Jim zu seiner Mutter nach Westchester. Ich verbrachte den Tag mit meinem Vater und Tori. Sie servierte Sushi, aber ich hielt mich an Truthahn, den es Gott sei Dank ebenfalls gab. Roher Fisch war riskant für Schwangere.
Als ich an jenem Abend mit dem Taxi nach Hause fuhr, rief Ty an. Mir juckte es in den Fingern, das Handy aufzuklappen, aber ich ließ ihn auf die Mailbox sprechen. Nachdem ich gebadet und es mir im Bett bequem gemacht hatte, hörte ich mir seine Nachricht an. Er klang etwas bedrückt.
»Hey, ich bin’s. Eigentlich wollte ich ja nicht mehr anrufen. Gute Vorsätze … Frohes Thanksgiving. Mit wem hast du gefeiert? Wir haben in einer schicken Villa in Taos zu Abend gegessen, bei einem Investor der Plattenfirma. Aus seinem Wohnzimmerfenster hatte man eine Wahnsinnsaussicht auf die Berge.
Na ja, jedenfalls habe ich einen Song geschrieben, vielleicht den besten überhaupt. Ich hatte schon im Sommer damit angefangen, kurz bevor ich zurückgekommen bin, und bin gerade damit fertig geworden. Wahrscheinlich wirst du ihn hassen. Besonders, wenn ihn andere Leute hören.« Trotzig fügte er hinzu: »Was wahrscheinlich der Fall sein wird. Denn ich verdiene nun mal meine Brötchen damit.«
Ich verdrehte die Augen. Schon klar. Egal.
»Ich habe ihn dir geschickt. Eine Demo-CD. Wenn ich zurückkomme, kannst du mich anschreien oder mir eine knallen oder was auch immer. So, das war’s. Frohes Thanksgiving. Bis bald.«
Mist. Ich hätte gern mit ihm geredet. Der Arme musste Thanksgiving mit fremden Leuten verbringen. Aber irgendwie erschien es mir nicht als der richtige Tag, ihn mit der
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