Wie Tyler Wilkie mein Leben auf den Kopf stellt und was ich dagegen tun werde: Roman (German Edition)
Ich lächelte.
Er küsste mich auf die Nasenspitze. »Tschüs.«
Ich ging rauf. Peg war nicht zu Hause. Natürlich nicht, es gab eine Nachmittagsvorstellung.
Ich setzte mich ans Ende meines Bettes, starrte die graugrüne Wand an und ging im Geiste die seltsam nebulösen Ereignisse der letzten drei Tage noch einmal durch. Bei manchen Erinnerungen wurde mir noch im Nachhinein heiß. Ich legte mich rücklings aufs Bett und berührte mich durch die Jeans. Ich war ein bisschen empfindlich, aber es machte mir nichts aus. Ich hatte das Gefühl, ein süßes Geheimnis zu haben. Ich rollte mich auf der Seite zusammen und umarmte mein Kissen.
Ich dachte an unsere Leidenschaft gestern Morgen. Und an die langsame, schläfrige Zärtlichkeit von heute Morgen.
Dann krampfte sich mir der Magen zusammen. Was hatte ich getan? Ich verdiente meinen Lebensunterhalt damit, Leuten beizubringen, genau das nicht zu tun, was ich getan hatte. Ungeschützter Sex. Zwei Mal .
Dass ich mir eine Infektion zugezogen hatte, erschien mir angesichts seiner Testergebnisse ziemlich unwahrscheinlich. Und vielleicht hatte er wirklich immer ein Kondom benutzt. Vielleicht war er nur bei mir unvorsichtig gewesen, in der Hitze unserer Leidenschaft. Und wie konnte ich ihm Vorwürfe machen? Ich hatte genauso den Kopf verloren wie er.
Dennoch.
Ich holte meinen Kalender aus meiner Handtasche und sah nach, wann der erste Tag meiner letzten Periode gewesen war. Ich konnte mich noch gut daran erinnern. Ich hatte mit Julia in einem Restaurant in Park Slope zu Mittag gegessen, grüne Bohnen mit scharfer Chorizo. Unwillkürlich war mir ihr Hannibal-Lecter-Blick aufgefallen, als sie erzählte, wie unbarmherzig ihre legale Rache den Mann getroffen hatte, der ohne Führerschein betrunken Auto gefahren war. Auf einmal hatte ich die ersten warmen Tropfen gespürt und mich entschuldigt, um auf die Toilette zu gehen.
Ich zählte die Tage bis heute. Fünfzehn.
Meine Hände kribbelten. Ich schloss den Kalender, legte mich aufs Bett und zwang mich, ruhig zu bleiben. Ich atmete langsam ein und aus und blieb liegen, bis ich klar genug denken konnte, um einen Plan zu schmieden. Dann stand ich auf, nahm mein Portemonnaie und ging zum Drugstore.
Ich konnte den ganzen Sermon über notfallmäßige Empfängnisverhütung im Schlaf herunterbeten. Man erhält die entsprechende kleine weiße Tablette für ungefähr vierzig Dollar rezeptfrei in den meisten Apotheken. Sie ist an die neunzig Prozent sicher, aber man muss sie innerhalb von zweiundsiebzig Stunden nehmen, nachdem man ungeschützten Sex hatte.
Es war das erste Mal, dass ich sie kaufen musste. Ich wusste, dass meine Chancen, schwanger zu sein, relativ gering waren, obwohl wir es zwei Mal darauf hatten ankommen lassen. Ich wusste auch, dass die Notfallpille keine bereits bestehende Schwangerschaft beenden würde. Sie würde die Empfängnis nur verhüten, wenn sie noch nicht stattgefunden hatte, indem sie meinen Zervixschleim verdickte und ihn zu zähflüssig für die kleinen Schwimmer machte, so dass sie nicht bis zur Eizelle vordringen konnten. Idealerweise hätte ich sie gestern nehmen sollen. Aber eventuell half sie auch noch, wenn ich sie heute nahm.
Ich war tief traurig. In einem perfekten Leben würde ich ein Baby von Tyler Wilkie bekommen. Ich liebte ihn. Ich stellte mir vor, wie wir unser gemeinsames Kind lieben würden. Aber der Vater dieses Kindes war mein Traum-Ty, der niemals gesagt hätte, dass es dumm gewesen war, in mir zu kommen. Der nicht mein Herz und meinen Körper zwei Tage so intensiv besessen hätte, um mich anschließend abrupt und ohne Weiteres für ein halbes Jahr zu verlassen.
Unter anderen Bedingungen wäre dies das absolute Wunschkind gewesen. Doch in dem Wissen, dass ich allein weiterleben musste, und von jetzt an einsamer als je zuvor, schluckte ich die Tablette. Während mir die Tränen über die Wangen liefen.
Ich ging nicht zum Konzert im Roseland .
Ich wollte ihn vor seiner Abreise nicht mehr sehen oder sprechen. Am Sonntagabend passte ich einen Moment ab, in dem ich sicher sein konnte, dass er auf der Bühne stand, und hinterließ ihm eine Nachricht. »Hey, leider musste ich heute Abend doch zu Hause bleiben. Fühle mich einfach nicht wohl. Liegt wahrscheinlich am Antibiotikum. Ich wünsche dir eine tolle Tour. Pass auf dich auf.«
Ich schlief unruhig. Gegen zwei Uhr morgens rief er an und hinterließ mir eine Nachricht. Es klang, als wäre er auf einer Party.
»Gracie.«
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