Wie vernascht man einen Millionär?
einigen Leuten zu und fragte dann einen Arbeiter: „Julio, hast du heute Morgen schon Warren gesehen?“
„Ja.“ Julio Vega, der etwa Mitte dreißig war und einen dicken schwarzen Schnurrbart trug, wies aufs andere Ende der Lagerhalle, wo Schaufellader und Betonmischmaschinen standen. „Er ist da hinten.“
„Danke.“ Lucas fand den Mann schnell, aber Warrens finstere Miene verriet ihm, dass es nicht einfach werden würde.
„Hallo, Chef“, begrüßte der Bauleiter ihn mit zusammengebissenen Zähnen.
„Warren, wir müssen reden.“
„Wenn es wegen des Problems von neulich ist …“
„Allerdings“, erwiderte Lucas und legte eine Hand auf die Betonmischmaschine. „Wir können noch von Glück sagen, dass ihr nur eine Wasserleitung getroffen habt. Hätte auch eine Gasleitung sein können. Und ich möchte mir nicht ausmalen, was dann passiert wäre.“
Warren war etwa Mitte vierzig, hatte eine Halbglatze und trug einen roten Vollbart. Er lief rot an, aber nicht aus Schuldbewusstsein, sondern vor Wut. „‚Hätte sein können‘ zählt nicht. Es war keine Gasleitung, Lucas. Natürlich hatten wir ein Problem mit dem Wasser, aber inzwischen ist es abgepumpt.“
Lucas konnte verstehen, dass der Mann sich verteidigte, aber ein kleines bisschen Einsicht in sein Fehlverhalten hätte ihm gut zu Gesicht gestanden. Schließlich wusste er verdammt gut, was noch alles hätte passieren können. Oh ja, ‚hätte sein können‘ zählte durchaus. Auf einer Baustelle konnte jederzeit so viel schiefgehen – da war es von entscheidender Bedeutung, dass der Bauleiter den Überblick behielt und alles unter Kontrolle hatte.
„Natürlich ist es inzwischen abgepumpt“, sagte Lucas mit ruhiger Stimme. „Aber dadurch haben wir Zeit verloren und enorme Zusatzkosten gehabt.“
Er beobachtete, wie die Zähne seines Kontrahenten mahlten und wie er die Hände zu Fäusten ballte. Die Einstellung dieses Mannes gefiel ihm nicht. Vor seinem Chef hatte man sich gefälligst zusammenzureißen, vor allem wenn man eine Panne selbst verschuldet hatte.
„Und es geht nicht nur um das, was die Panne selbst uns kostet: Zeit ist Geld, das weißt du genau. Wir hinken jetzt bei diesem Auftrag hinterher, und dieser Zeitverlust überträgt sich auf den Folgeauftrag.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Du als Bauleiter trägst die Verantwortung für die ganze Misere.“
Warren atmete tief durch. „Sachte, Chef. Du kannst mir nicht allein die Schuld an dem ganzen Schlamassel geben.“
„Wem denn sonst?“, fragte Lucas gereizt. Er spürte Wut in sich hochsteigen. Natürlich wusste er, dass überall mal Fehler passierten, aber dafür, dass Waren keinerlei Einsicht zeigte, hatte er kein Verständnis. „Noch mal klar und deutlich: Du warst der Bauleiter, und die Verantwortung lag bei dir.“
„Die Jungs arbeiten alle schon lange auf der Baustelle und hätten wissen müssen, dass sie nicht einfach losbuddeln dürfen“, schoss Warren aggressiv zurück. „Bin ich ihr Babysitter oder was?“
Seine Stimme war so laut geworden, dass die anderen Geräusche in der Lagerhalle erstarben. Lucas wusste, dass jetzt alle gebannt zuhörten, doch das war ihm egal. Er hätte die Angelegenheit lieber in Ruhe geregelt, aber vielleicht war es ja ganz gut, wenn alle mal wieder an die Regeln erinnert wurden. Sicher, die Kings gaben jedem eine zweite Chance.
Aber mehr dann auch nicht.
„Nein, du bist nicht der Babysitter, Warren. Aber du bist der Mann, der die Anordnungen gibt und ihre Ausführung zu überwachen hat.“ Langsam war er diese Diskussion leid. Müde fügte er hinzu: „Das war nicht das erste Mal, dass du was verbockt hast. King Construction hat einen guten Ruf, und um den zu bewahren, müssen wir manchmal harte Maßnahmen ergreifen.“
„Wie zum Beispiel mich zu feuern?“, fragte Warren lauernd. „Darum geht’s doch, oder? Du hast dich persönlich hierher bemüht, um mich zu feuern?“
„Genau“, erwiderte Lucas kurz und knapp. Seine Aufgabe war erledigt. Er hatte gesagt, was zu sagen war, und nun musste Schluss sein. „Du bist entlassen. Du kriegst noch die Bezahlung für zwei Wochen und dein Urlaubsgeld, aber du hast das Firmengelände innerhalb der nächsten halben Stunde zu verlassen. Ein Wachmann bringt dich raus.“
„Ein Wachmann? Soll ich jetzt auch noch überwacht werden, damit ich nichts mitgehen lasse?“
„Das ist so üblich, Warren, und das weißt du auch.“
„Das ist so üblich. Na, vielen Dank.“
Weitere Kostenlose Bücher