Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Wirtschaftspolitik urteilen – und Regierungen daraufhin vernünftig werden. Das hat nicht funktioniert.
Je stärker der Einfluss der Finanzwelt auf einstmals übliche Niveaus schwindet, desto weniger werden Regierungen vor den (Fehl-)Urteilen »der Märkte« bibbern müssen. Desto weniger müssen sich gewählte Volksvertreter treiben lassen, weil Anleger zu flüchten drohen oder kuriose Ratingagenturen ihren Daumen senken. Hätten die Finanzmärkte nicht in 30 Jahren Globalisierung so eine absurde Macht bekommen, und wären Banken nicht so riesig geworden, hätten die Abgeordneten des Bundestags in der Euro-Krise nicht alle paar Monate den bitteren Eindruck vermitteln müssen, dass sie binnen Stunden Rettungspakete infarktabsegnen müssen, nur weil sonst die Bankgeschäfte kollabieren. So sehr das im akuten Fall drohte – so dringlich ist es, für die Zeit nach dieser Krise dafür zu sorgen, dass Abgeordnete durch solche Umstände nicht mehr erpresst werden und über Hilfsgelder stattdessen wieder demokratisch entscheiden dürfen (idealerweise wird es in einer neuen Finanzwelt zu solchen Pleiteangstspiralen ohnehin nicht mehr kommen). Frei nach der Formel: Kein Hochgeschwindigkeitshandel – keine Hochgeschwindigkeitsrettungspakete mehr. Einfach zu merken.
Es ist gefährlich, wenn Krisenregierungen wie in der Euro-Krise nur noch kopflos Kürzungen und Stückwerkreformendurchpeitschen, ohne dass die Abgeordneten ernsthaft nein sagen können, nur um an den Finanzmärkten Eindruck zu machen und auf Gnade zu hoffen. Wenn dieselben Finanzjongleure mal dies und mal das honorieren. Da geht es um das Schicksal von Menschen.
Erst wenn auf Staatspleiten nicht mehr spekuliert werden kann, wird es wieder möglich, die Konsolidierung von Staatshaushalten so anzugehen, wie es makroökonomisch vernünftig ist: indem Regierungen erst dafür sorgen, Rezessionen zu beenden, die fiskalisch alles nur schlimmer machen, statt sie durch planlose Aktionen zu verstärken – und zugleich mittelfristig wirkende Programme beschließen, die dafür sorgen, dass die Schuldenquoten dank entsprechend ordentlichem Wirtschaftswachstum fast automatisch sinken. Das wirkt Wunder, wie die Erfahrung zeigt.
Ein Grund mehr, so etwas nicht dem Wankelmut überforderter Händler mit Hang zur Vergesslichkeit zu überlassen – erst recht keinen unter 30. In einer neuen Finanzära könnte darüber souverän von erwachsenen, gewählten Abgeordneten und Regierungen entschieden werden. Wenn sich die Politik als falsch erweist, muss auch darüber das Wahlvolk urteilen und es die Regierung notfalls in die Wüste schicken. Kein scheinheiliger Finanzmarkt. Dann müssen in einer Währungsunion Regeln aufgestellt und kontrolliert werden – von demokratisch legitimierten Volksvertretern in den Mitgliedsländern oder im Europaparlament. Nicht von ein paar Menschen in Ratingagenturen.
Es ist absurd, den fiskalischen Untergang des Abendlands zu prophezeien, wenn die Finanzmärkte nicht mehr Druck auf Regierungen ausüben könnten. In den 50er und 60er Jahren gab es ganz ohne freie Finanzmärkte viel weniger Staatsschulden als in der Zeit losgelassener Finanzjongleure danach. So toll kann diese Zeit nicht gewesen sein; das Ergebnis passt jedenfalls nicht zur Prophezeiung. Vielleicht führt die neue Finanzstabilität ja zu so viel mehr Wirtschaftswachstum, dass die Staatshaushalte schon von allein bald besser aussehen – zumal dann, wenn keine Gelder mehr für Bankenrettungen gezahlt werden müssen. Sehr wahrscheinlich würden die Staatsschulden ohne Finanzwahn sogar schneller sinken.
Wie schnell bei sinkenden Zinsen und ohne Märktedruck Etats zu sanieren sind, hat Bundesfinanzminister Schäuble zwischen 2010 und 2012 erlebt, als die Wirtschaft ordentlich wuchs. Am Ende war der Haushalt ausgeglichen.
In der neuen Finanzzeit könnten sich Notenbanker wieder darauf konzentrieren, die Inflation in Maßen zu halten. Wenn von Banken oder Immobilienkäufern antizyklisch eine höhere Eigenkapitalausstattung gefordert werden kann, wäre das ein Mittel, Finanzexzesse gar nicht erst aufkommen zu lassen. Da könnten die Währungshüter ihre Leitzinsen in drohenden Vermögensboomphasen auch wieder ruhigen Gewissens so niedrig halten, wie es der realen Inflationsgefahr angemessen ist – statt die Sätze panisch anzuheben, wie es der EZB in den Rohstoffblasen 2008 und 2010 passiert ist. Auch das würde die Wirtschaft robuster machen.
In der Euro-Zone hätte so ein System die
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