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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Euphorieschüben führte, die irgendwann auch Tante Erna in den Bann zogen, deren Bankberater als Altersvorsorge da schon mal ein Engagement in Malaysia empfahl – weil dort die Aktien schnell stiegen und die Zinsen höher waren.
    Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) schnellten die privaten Nettokapitalflüsse in die wichtigsten Schwellenländer von etwa Null gegen Ende der 80er Jahre auf gut 300 Milliarden Dollar 1997. Mit entsprechenden Begleiterscheinungen: Thailands Aktienindex lag Mitte der 90er Jahre fast zehnmal so hoch wie eine Dekade zuvor. Die malaysische Börse hatte sich nach vielen Jahren mit der netten Tante Erna 1997 versechsfacht.
    Den ersten Dämpfer für die neuen Wunderkinder gab es 1994, als Mexiko in die Krise stürzte, die Währung krachte, das Finanzsystem schwächelte – und von den USA gerettet werden musste. In der ersten Jahreshälfte 1997 bekam dann als erstes Thailand zu spüren, was es heißt, wenn Finanzmärkte schlechte Laune bekommen. Mit Absturz des Bath im Juli begannen gut eineinhalb Jahre nicht enden wollender Finanzturbulenzen.
    Thailands Währung verlor in der zweiten Jahreshälfte 1997 allein 40 Prozent an Wert. Ähnliches erlebten kurz darauf andere asiatische Länder. Jetzt ging die Spirale nach unten. Jetzt wurden die Notenbanken von weisen IWF-Doktoren aus Washington gedrängt,den Trend mit steigenden (attraktiveren) Zinsen zu stoppen, was nur dazu führte, dass es für die heimische Wirtschaft noch teurer wurde, Geld aufzunehmen, um zu investieren. Rezession. Das wiederum fachte die Skepsis nur noch an und führte nur dazu, dass noch mehr privates Kapital floh. Im Jahr darauf wurden nach IWF-Angaben weit mehr als 100 Milliarden Dollar privater Portfolioinvestitionen aus den Schwellenländern abgezogen. Pech gehabt.
    In dieser Krise, die später auch Lateinamerika und Russland erfasste, erlebte die Welt, wie in einer so mächtig gewordenen Finanzwelt ein Land nach dem anderen von Panikattacken angesteckt werden kann, ohne hinreichend erklärbaren Anlass – und wie schnell Länder wie Dominosteine dann fallen. Ein Phänomen, das sich in der Euro-Krise ab 2009 erneut verheerend auswirkte. Nach und nach wurden zwischen Mitte 1997 und 1998 fast alle Schwellenländer in die Krise gezogen, fast egal wo. Hauptsache Schwellenland. Da wirkt das Gleiche wie im Boom: Da wird selektiv all das nur noch wahrgenommen, was die (neue) Skepsis zu bestätigen scheint – und die neue Story war jetzt die von den entzauberten Tigern. Im Nachhinein findet sich immer ein Grund, um die neue Laune der Investoren als vermeintlich rationale Reaktion auf unbekannte Missstände zu begründen.
    Dann fällt Investoren plötzlich auf, dass die Länder hohe Handelsdefizite hatten – was im Boom keinen störte. Oder dass es steigende Staatsschulden gibt – obwohl das eher Folge als Ursprung des Platzens der Blase ist. Dann herrscht Risikoaversion statt Risikofreude. Punkt. Und dann lässt sich auf freien, computergesteuerten Kapitalmärkten per Mausklick Geld abziehen. Zumal die meisten Investoren in Asiens Schwellenländern während der Euphorie der 90er Jahre nur kurzfristig Geld angelegt hatten, das sich jetzt umso schneller wieder rückholen ließ.
    Ökonomen haben nach der Krise gecheckt, ob es für das globale Überspringen der Skepsis nicht doch in jedem Einzelfall hinreichend fundamentale Gründe gab. Fehlanzeige. Was überwog, waren Ansteckungseffekte, weil plötzlich die Bereitschaft von Tante Erna und ihrem Bankberater sank, in die Anlagekategorie Schwellenland zu gehen. Was zumindest bei Tante Erna und aus individuellerAnlegersicht nachvollziehbar ist, nur in der Summe wieder desaströs wirkt. Dazu kommen besagte Spekulanten, die Geld machen, indem sie gegen angeschlagene Währungen spekulieren. Und Ratingagenturen, die den neuen Trend noch verstärken, indem sie geschwächte Länder herabstufen und für neue Panikverkäufe sorgen.
    Wäre es 1997 schnell gelungen, die Story zu vermitteln, dass Thailand ein Einzelfall ist, hätte sich die Spirale vielleicht noch stoppen lassen. Als aber das zweite, dritte Land von der neuen Skepsis erfasst wurde, setzte sich die neue Story von den angeschlagenen Schwellenländern fest. Und da reichten fortan erste Indizien für beginnende Zweifel in, sagen wir, Malaysia, um auch Tante Erna nervös werden zu lassen. Was Onkel Theo ebenfalls unruhig machte. Selbst bei der Beurteilung von Ländern, die anfangs noch als solide galten.
    Etwas

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