Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
für Manie und Panik, so Bhagwati schon damals. Wenn die asiatischen Tiger so kriselten, habe das natürlich damit zu tun, dass es vorher exzessiv viel kurzfristig angelegtes Geld aus dem Ausland gegeben habe – weil Kapitalkontrollen abgeschafft worden waren und Banken im Ausland Geld leihen durften. Ähnlich ist es 1994/95 den Mexikanern ergangen.
Kritiker der Kapitalfreiheit wie der Harvard-Ökonom Dani Rodrik gehen mittlerweile noch weiter und bezweifeln, dass die Kapitalzuflüsse den betreffenden Schwellenländern überhaupt geholfen haben. Rodrik verglich in einer Studie für mehr als 100 Länder, wie stark jedes einzelne sich in den vergangenen 30 Jahren geöffnet und bei der Finanzglobalisierung mitgemacht hat und wie stark jeweils die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung dieser Länder von 1970 bis 2004 gestiegen ist. Ergebnis: Es gibt solche und solche – und nicht den Hauch eines erkennbar starken Zusammenhangs, der darauf hindeuten würde, dass stark liberalisierte Länder dynamischer wären als andere. Im Gegenteil: Nimmt man zum Vergleich, wie stark der nationale Finanzmarkt schon liberalisiert war (also das Niveau, nicht die Veränderung), sind während der vermeintlich goldenen Finanzglobalisierung sogar diejenigen Entwicklungs- und Schwellenländer schneller gewachsen, die den Kapitalverkehr eher unter Kontrolle hielten. Na, so was.
Sowohl Japan in den 50er bis 70er Jahren wie Korea in den 60er bis 90er Jahren hätten ihren wirtschaftlichen Durchbruch geschafft, ohne die Regeln des (späteren) »Washington Consensus« zu befolgen, dem zufolge es nie liberal genug zugehen konnte, diagnostiziertAdair Turner. Ähnliches gelte für China mit einem stark eklektischen Wirtschaftsmodell ohne freien Kapitalverkehr. China wie Japan hätten es geschafft, bemerkenswert zu wachsen – ohne dass ihre Währungen frei eintauschbar waren, schrieb Jagdish Bhagwati bereits 1998.
Nach Rodriks Diagnose läuft es eher andersherum. Meist kam erst mit dem wirtschaftlichen Erfolg der Run der Geldgeber – die Märkte liefen dem Erfolg hinterher. Mit der unangenehmen Folge, dass so einer Euphorie und Kapitalflut mit hoher Sicherheit irgendwann Panik folgte. Siehe oben. Für Rodrik könnte das sogar erklären, warum es per Saldo gerade denen oft schlechter erging, die ihre Finanzmärkte am eifrigsten liberalisiert hatten. Beim Run in vermeintliche Wunderländer komme es meist dazu, dass deren Währung enorm aufwerte, so der Harvard-Ökonom. Dies bringe zwar für die Binnenwirtschaft günstigere Importe mit sich, mache aber die eigenen Produkte im internationalen Vergleich teurer, wobei der zweite Effekt meist überwiege. Ergebnis: Die Wirtschaft wachse langsamer – nicht trotz, sondern wegen übereilter Finanzliberalisierung. Kurz: Freie Finanzmärkte haben kaum einem aufholenden Land nachweisbar geholfen, vielen aber geschadet. Das hatten Milton Friedman und Anhänger etwas anders in Aussicht gestellt. Es werde zunehmend klar, dass die Vorteile der Finanzglobalisierung schwer auszumachen sind, so Rodrik.
Auf solche Kritik reagierten die Anhänger der Finanzmarktfreiheit bis vor kurzem noch patzig. Tenor: Irgendwie ist der Markt trotzdem rational, und wenn die Kurse überschießen, haben sie dafür auch einen Grund. Basta. Die Wirklichkeit spricht eher dagegen. Ein Befund, der auch bei jenem Internationalen Währungsfonds (IWF) angekommen scheint, dessen damaliger Chef Stanley Fischer noch 1997 dafür warb, die obligatorische Liberalisierung allen Kapitalverkehrs in die IWF-Verfassung zu schreiben. Mittlerweile gilt selbst im früheren Tempel der Finanzglobalisierung, dass es zumindest für labil-aufstrebende Länder nicht immer gut ist, so stark von den Launen internationaler Geldgeber abhängig zu sein. Vorsichtige Annäherung an die Realität.
Die Illusion vom Wachstumsmotor für reiche Länder
Ist wenigstens für reiche Länder ein positiver Effekt auszumachen? Hat es nicht doch auch Wachstum gebracht, dass die Banken jahrelang so mächtig expandieren durften? Bis vor ein paar Jahren hätte auch auf diese Frage das Gros der Ökonomen mit so etwas geantwortet wie: Ja, natürlich – was für blöde Fragen Nichtökonomen stellen können. Neue Finanzinstrumente verbessern doch, naja, die Allokation von Ressourcen, hieß es dann wie aufgesagt, und sorgen für mehr Freiheit, was irgendwie immer gut ist, und teilen die Risiken auf, ach, und machen die Wirtschaft einfach kräftiger und robuster. Weil immer jemand Geld hat, das
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