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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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    Kosten durch Krisenschäden
    Es spricht eine Menge dafür, dass die steten Wechsel aus Booms und Crashs auch im Rest der Wirtschaft mehr Schaden verursachen als Nutzen stiften. Zwar ist jedem Platzen einer Blase eine Boomphase vorangegangen, in der Vermögen entstanden ist. Ein Großteil dieser Vermögen ist aber, wie wir gesehen haben, nur bei relativ wenigen konzentriert. Dafür hat das Ende von Blasen in aller Regel Breitenund Langzeitwirkung. Japans Wirtschaft leidet noch heute unter dem Platzen der Immobilienblase von Anfang der 90er Jahre. Dem Crash folgten Jahre der Stagnation und Deflation – und ein Hochschießen der Staatsschulden, das sich durch die jüngste globale Finanzkrise noch mal beschleunigt hat. Zur Erinnerung: Vor dem Platzen des Immobilienbooms zitterten unsere Exporteure noch vor der japanischen Gefahr.
    Schlimmer noch als in Japan wirkte die prozyklische Abwärtsdynamik nach dem Platzen der Vermögensblase in den 30er Jahren, als die damalige Börseneuphorie kippte und plötzlich ein Viertel derMenschen in Deutschland und den USA arbeitslos waren. De facto trugen die Nachbeben des Bankenirrsinns zu den dramatischen Entwicklungen der 30er Jahre bei: Naziherrschaft hier, Große Depression dort. Ein Trauma, das heute Ökonomen wie US-Notenbankchef Ben Bernanke dazu treibt, alles zu tun, um einen Liquiditätskollaps wie damals zu verhindern. Bernanke hat als Wirtschaftsprofessor die Depression der 30er Jahre erforscht. Es hat etwas pikant Peinliches, dass über Bernankes »Fluten von Märkten« gerade deutsche Ökonomieträumer so viel spotten. Vielleicht hätte es bei einem besseren deutschen Krisenmanagement und mehr Geldflutung damals weder sechs Millionen Arbeitslose noch die Nazidiktatur gegeben.
    Nach einer Kreditblase platzen Vermögenswertträume – was bleibe, seien die Schulden, die zwischenzeitlich zum Mitmachen bei der Party aufgenommen wurden, sagt Dirk Bezemer von der Universität Groningen. Auch da gilt: Der Schaden ist größer als der vorangegangene Nutzen einer Kursfeier. Mehr noch: Nach solchen Crashs versuchen Banken und Private meist panisch, ihre Schulden abzubauen. Und dafür springen, wie jetzt, Staaten ein, um die Schuldenlast zu übernehmen und zu verhindern, dass vor lauter Tilgungsdruck keiner mehr Geld ausgibt und die Wirtschaft kollabiert. Was nichts anderes bedeutet, als dass der Schaden, der im Finanzsektor nach Jahren des Exzesses entstanden ist, jetzt an allen hängt und von allen zurückzuzahlen ist. Derselbe Befund: Von der Party profitierten nur ein paar – die Kosten tragen alle.
    Wie die historischen Auswertungen von Carmen Reinhart und Ken Rogoff zeigen, steigen nach Bankenkrisen nicht nur typischerweise die Staatsschulden, es kommt auch auffällig oft zu wiederholten Rezessionen oder längeren Phasen sehr schwachen Wachstums, die über Streueffekte ebenfalls die gesamte Wirtschaft treffen. Dabei sind von den Entlassungen zwar überproportional Leute in Banken und Bauwirtschaft betroffen, die vom Boom vorher profitierten. Entlassen werden aber auch Beschäftigte aus Branchen, die von der Euphorie wenig hatten.
    Wenn das stimmt, würde es sich auch hier lohnen, die Logik umzukehren – bevor die nächste Katastrophe noch höhere Kollateralschäden mit sich bringt.
    Kosten der Ungleichheit
    Als die Finanzwelle losgetreten wurde, waren die damals vordenkenden Ökonomen von der Sorge besessen, dass jede Wirtschaftsdynamik erlahme, weil die Einkommen zu gleich geworden seien – und es damit zu wenig Anreize gebe, mehr zu arbeiten und zu leisten. Egal, für wie gerechtfertigt man die Sorge für die damalige Zeit hält: Dreißig Jahre später machen selbst konservative Experten den Gegenbefund. Die Finanzglobalisierung hat Vermögen und Einkommen so drastisch auseinander driften lassen, dass der gesellschaftliche Schaden den Nutzen der vermeintlich reizenden Einkommensspreizung mit hoher Wahrscheinlichkeit längst überwiegt.
    Wie Kate Pickett und Richard Wilkinson in ihrem Buch eindrucksvoll dargelegt haben, gibt es in Ländern mit hoher Ungleichheit heute systematisch mehr Kriminalität, liegt die Lebenserwartung niedriger und fallen mehr Menschen Herzinfarkten zum Opfer als in Ländern mit gleicheren Lebensverhältnissen wie Schweden oder Japan. In einstigen Musterländern orthodox-liberaler Ökonomen, wie den USA und Großbritannien, gibt es nach 30 Jahren Finanzexperimenten mehr psychisch Kranke und mehr Übergewichtige, sterben mehr Säuglinge

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