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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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»höhere« oder »niedere« handelt.
    Dann gibt es die Freude. Dieser Zustand ist überschwänglicher als Lust oder Glück, aber auch schwerer fassbar. Freude geht paradoxerweise mit Leiden zusammen, deshalb spielt sie im christlichen Schrifttum eine so große Rolle. Philippa Foot erwähnt eine alte Quäkerin, die nach viel Leiden und Verfolgung davon sprach, sie habe bei der Verkündigung von Gottes Wort »ein frohes Leben« gehabt, »nicht ein ›glückliches Leben‹, das hätte seltsam geklungen«, ergänzt Foot.[ 34 ] Und wie Freude mit der Abwesenheit von Glück und Lust vereinbar ist, sind Glück und Lust mit der Abwesenheit von Freude vereinbar. In dem Gedicht »Das verlassene Dorf« geißelt Oliver Goldsmith die Vergnügungen der müßiggängerischen Reichen:
    Aber inmitten der Pracht, in der mitternächtlichen Maskerade
Mit all den Absonderlichkeiten schamlosen Reichtums
finden einstige Tändler die Hälfte ihrer Wünsche erfüllt;
die schwer errungene Lust wird zu Schmerz,
und noch während die Mode ihre schönste Kunst entfaltet,
fragt das Herz voller Zweifel, ob das Freude sei.
    Goldsmith will nicht bestreiten, dass die Feiernden sich vergnügen, mindestens bis zu dem Punkt, an dem »die schwer errungene Lust […] zu Schmerz« wird. Sie haben »Spaß« – das englische Wort »fun« entstand nicht zufällig um diese Zeit. Aber Spaß ist nicht Freude. Vermutlich würde auch
noch mehr
Spaß nicht Freude bringen; der Unterschied liegt in der Qualität, nicht im Grad.
    Glück ist also etwas anderes als Lust und Freude. Aber selbst innerhalb des Glücks müssen wir noch einmal Unterscheidungen treffen. Wir haben gesagt, Glück habe Objekte, Glück hänge mit etwas zusammen. Wir können nun hinzufügen, dass das Glück
seinen Charakter von dem bekommt,
womit es zusammenhängt. Kennzeichnend für tiefes Glück sind beispielsweise nicht Herzklopfen und Beben – ein Fehler, den viele jugendliche Geschichtenschreiber machen –, sondern typisch für Glück ist der Zusammenhang mit bestimmten zentral wichtigen Lebensereignissen:Liebe, Geburt, die Vollendung eines wichtigen Werks. Man könne »nicht sinnvoll sagen«, schreibt Philippa Foot in ihrer hervorragenden Erörterung des Themas,
    jemand empfinde tiefes Glück, wenn er im Kleinkrieg mit dem Nachbarn um die Morgenzeitung oder eine Milchflasche den Sieg davonträgt – egal, wie viel »überschäumendes« Verhalten und Begeisterung wir uns vorstellen. Aber tiefes Glück und Freude über die Geburt eines Kindes? Das ist eine andere Sache! […] Wir sind versucht, tiefes Glück rein psychologisch zu erklären, und zwar so,
als könne es von seinen Objekten getrennt werden.
Warum aber sollte das möglich sein? Warum sollte die Bedeutung von »tief« nicht deshalb Gemeingut sein, weil Menschen übereinstimmend auf bestimmte Dinge reagieren, die das menschliche Leben ganz allgemein kennzeichnen?[ 35 ]
    Wenn Glückszustände in der von Foot beschriebenen Weise ihren Charakter von ihren Objekten erhalten, haben wir keinen Grund anzunehmen, dass man sie alle in der Reihenfolge ihrer Intensität ordnen kann. Natürlich können wir das »Überschäumen« herausgreifen und
das
zum Maß des Glücks machen, so wie wir bei Layards Vergleich die Lautstärke eines Tons gegenüber seinen sonstigen Eigenschaften herausgreifen können. Aber warum sollten wir das tun? Was macht das Überschäumen so wichtig? Das wäre so, wie wenn wir – um Layards Vergleich gegen ihn zu wenden – Reden nur nach ihrer Lautstärke beurteilen und uns nicht um ihren Inhalt kümmern würden. Man könnte zum Vergleich auch auf Menschen verweisen, die Sexualakte nur nach der Intensität oder Zahl der Höhepunkte beurteilen und alle anderen Arten, wie sie gelingen oder scheitern können, unberücksichtigt lassen.
    Um dies noch an einem weiteren Beispiel zu illustrieren: Denken Sie an die Gestalt von General Wynne-Candy, dem Blimp in dem wunderbaren Film von Michael Powell und Emeric Pressburger aus dem Jahr 1943
The Life and Death of Colonel Blimp.
Als junger Mann verliebt Candy sich in eine Frau, die dann seinen besten Freund heiratet. Er kommt nie darüber hinweg, und alle seine späteren Liebschaften (die imFilm alle von derselben Schauspielerin verkörpert werden, Deborah Kerr) ähneln ihr bemerkenswert. Aber wir bekommen keine Anhaltspunkte zu vermuten, dass der General viel Zeit damit verbringt, über seine Enttäuschung in der Liebe nachzusinnen; er ist nicht, wie er selbst sagt, »der Typ

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