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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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souveränen Leithund. Auch wenn jetzt ein Sofapolster weniger auf seiner Couch liegt.

SehnSUCHT
    Aus Versehen ein Junkie
    Nur ungern verlasse ich an diesem verregneten Samstag im Dezember 2011 mein warmes Haus. Mich erwartet ein schwarzer Cocker Spaniel, den sein junges Frauchen am Telefon als eigensinnig beschrieb. Ich muss gestehen, dass ich von dem folgenden Training nicht viel mehr erinnere, als dass der Cocker jung und fantasievoll und das Frauchen recht ahnungslos war, und dass alles ein gutes Ende fand – denn ein anderes Erlebnis überdeckt das Geschehen.
    Ich stehe mit der jungen Frau gerade in deren winzigem Vorgarten und trainiere mit ihr und dem Cocker, als ich immer wieder von Hundewinseln, Bellen und Fiepen abgelenkt werde. Es müssen viele Hunde sein, und den Tönen nach zu urteilen, sind es sehr junge Tiere. »Ist hier ein Tierheim?« Ich blicke ungläubig auf das privat wirkende Gelände nebenan, von dem die Geräusche kommen.
    »Nein, eine Welpen-Notstelle vom Tierschutz«, antwortet die junge Frau.
    »Aha«, sage ich, denn nach dieser Erklärung hat sich der Fall für mich erledigt. Obwohl ich durch den Tod meines Rüden Viktor einen »Platz im Rudel frei hätte«, sind Welpen für mich keine Option. Natürlich rühren diese jungen Wesen mein Herz, aber ich bin immer der Meinung gewesen, dass sie genau deshalb auch viele andere Herzen rühren werden. Ich nehme deshalb lieber einen erwachsenen Hund auf, der genau das braucht, was ich zu geben habe.
    Ich trainiere weiter mit dem Cocker, und nach ungefähr einer halben Stunde fügt die Frau hinzu: »Gestern sind sieben Welpen aus Moskau eingetroffen. Sicher machen die so einen Krach.«
    Ich spüre es ganz deutlich kommen. Moskau. Das Wort hallt in mir mit Wehmut wider. Es weckt angenehme Gefühle. Dann steigt etwas ganz langsam in mir auf. Ich drücke es wieder herunter. Trainiere weiter. Es steigt wieder hoch. Ich trainiere weiter. »Kann ich sie mal sehen?«, platzt es dann aus mir heraus, und ich lausche meiner eigenen Stimme hinterher.
    »Na klar! Wollen Sie einen haben? Das würde die Frau B. ganz sicher sehr freuen!«, sagt die junge Frau eifrig und führt mich zum Nachbargrundstück.
    Will ich einen haben? Nein. Ich bin in Trauer mit meinem Hund Viktor. Ich will auch keinen Welpen. Ich will noch gar nichts Neues. Mit zittrigen Händen stehe ich vor dem Gartentor und sehe, als sich die Haustür öffnet, wie unter einem Vergrößerungsglas viele kleine Hunde auf mich zukommen.
    »Hallo, Frau B.«, sagt meine Kundin, »das ist Frau Nowak, die Hundetrainerin, kann sie mal die Welpen sehen? Vielleicht nimmt sie einen.«
    »Ach. Kommen Sie rein. Da sind die Rabauken, ein paar von ihnen gehen jedoch bald schon in ein Zuhause.« Die Frau weist auf die Welpen, von denen sich zwei sofort auf meine Schnürsenkel stürzen.
    Es ist eine seltsame Taubheit in mir, in die sich zugleich Aufregung mischt.
    »Ich würde gern die Moskauer Hunde sehen«, höre ich mich sagen.
    »Oh, die sind gerade erst angekommen, die sind noch sehr aufgeregt«, schränkt Frau B. ein.
    Ich blicke sie wohl so reglos an, dass sie sagt: »Na ja, anschauen können Sie sie«, und mich zu einem anderen Zimmer im Haus führt.
    Die Tür ist gelb gestrichen, und der Lack ist alt. In meiner Wahrnehmung öffnet sie sich in Zeitlupe. Zwischen mehreren völlig verschiedenartigen Welpen sehe ich einen schwarzweißen »Miniatur-Pandabär« durchs Bild flitzen. »Ist das ein Rüde?«, höre ich mich wieder wie ferngesteuert fragen und zeige auf ihn.
    »Der da?« Die Hausbesitzerin überlegt eine Sekunde. »Ja, das ist der Kleine, der neben seiner toten Mama und seinem toten Geschwisterchen in Moskau auf der Straße gefunden wurde.«
    Ich gehe auf den schwarzweißen Hund zu, während die anderen Welpen fiepend an uns hochsteigen. Er kommt langsam zu mir, und seine dunklen Knopfaugen blicken mich ernst an. Als ich in die Hocke gehe, setzt er sich vertrauensvoll neben mich, dann atmet er tief aus.
    »Ich bin dann mal mutig und nehme ihn.« Ich lausche diesen Worten nach, und sie kommen mir seltsam vor. Da ich die Stimme in mir jedoch kenne, weil sie mich schon öfter in wichtigen Lebenssituationen lenkte, vertraue ich ihr.
    Nachdem ich den Vertrag unterschrieben und versichert habe, sofort noch einmal mit ihm zum Tierarzt zu gehen, lege ich den jungen Hund auf meinen Beifahrersitz und schnalle ihn mit einem Geschirr an, das ich von meiner Hündin Tinka dabeihabe. Obwohl er erst drei Monate alt

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