Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
kurzen Abwehrschnapper in die Breitseite des Welpen.
Tatsächlich trollt sich der kleine Kerl augenblicklich und entdeckt den großen Standspiegel im Zimmer. Er setzt seine Schnauze auf den potentiell neuen Spielgefährten und fährt mit ihr hin und her. Er fiept bettelnd, blickt neben den Spiegel, blickt hinter den Spiegel, nichts. Auch dieser Hund erweist sich als ungeeignet zum Spielen. Mit einem Ausdruck des Erstaunens dreht er sich zu mir um. Ich hocke mich auf den Boden und locke ihn: »Mitja.«
Obwohl ich Namen wie Valentin, Kolja und Ben in petto habe, mit denen ich gerne einmal einen meiner Hunde ansprechen würde, ist dieser, den ich nie geplant hatte, einfach da.
Mitja wackelt auf seinen dicken Beinchen auf mich zu und legt sich auf die Seite. Ich setze mich auf den Boden, nehme ihn zwischen meine Beine und streichle ihm sanft den Bauch. Meine Hündinnen verstärken dieses Gefühl der Ruhe und Geborgenheit, indem sie sich links und rechts an meine Oberschenkel legen. Zwei Hunde und eine Menschenfrau wachen über den Schlaf eines neuen Familienmitgliedes.
In den kommenden Tagen lernt Mitja unseren Alltag kennen, die Hausregeln und die Regeln bei den Spaziergängen. Dies ist nicht nur für das harmonische Zusammenleben unserer Gruppe notwendig, sondern vor allem auch dafür, ihm ein sicheres Gefühl zu geben. Er muss wissen, wie er sich in seinem neuen Umfeld bewegen kann. Wissen macht stark.
Würden meine Hündinnen und ich ihm nur Zuwendung schenken, bliebe er ohne Informationen über sein neues Leben und damit schwach in sich selbst. Schwäche macht Angst und frustriert. Aus Frustration entstehen Aggressionen. Wenn es keine Grenzen gibt, müssen sie gesucht werden.
Wo beginnen sie? Wie weit kann man gehen? Dominantes Verhalten wird geprobt. Dabei ist es unwichtig, wie alt der Hund ist und welches Wesen er hat, denn die Auslöser für sein Verhalten liegen ja nicht in ihm selbst.
So gibt es Zuwendung, wenn Mitja die Regeln befolgt, und einen Warnlaut, wenn er sie missachtet. Als Konsequenz, wenn er auf einen Warnlaut nicht hört, reichen bei dem jungen Hund ein strenger Blick oder ein zarter Stüber mit dem Finger.
Am dritten Tag entschließt sich Frieda zum Spiel. Sie wirft sich urplötzlich vor dem Welpen auf den Bauch, grinst und schwenkt den Po hin und her, sodass der Kleine erschrocken zurückfährt. Mit großen schwarzen Knopfaugen blickt er sie an, als wäre ein Geist in sie gefahren. Frieda bemerkt ihren Fauxpas und rennt, auffordernd um sich blickend, von ihm weg. Das versteht Mitja sofort. Ein freudiger Ruck geht durch ihn hindurch. Dennoch bremst er sich noch, und sein skeptischer Blick verrät, dass er nicht weiß, ob er einem Irrtum aufsitzt oder seinem Glück trauen darf.
»Jawoll«, ermuntere ich ihn und weise mit dem Blick in Richtung Frieda. Nach diesem Startsignal rennt er, so schnell es die Welpenbeine zulassen, hinter der Hündin her – von nun an viele Male am Tag.
Es ist herrlich, spielenden Hunden zuzusehen. Und es kostet keine Fernsehgebühr.
In der dritten Woche stehe ich im Badezimmer und höre aus der Küche ein seltsames Geräusch. Etwas, das ich noch nie gehört habe in meinem Haus: »Hää, hää, tiii, hää, tii, häää, hä.« Ich halte beim Zähneputzen inne und lausche. »Tiii, tit, ti, hääh, hä.« Mit Zahnpastaschaum um den Mund gehe ich dem Geräusch nach. Und traue meinen Augen nicht. Während ich mich im Bad fertig gemacht habe, hat jemand Tinka ausgetauscht. An ihrer Stelle liegt jetzt ein täuschend ähnlicher Terrier-Dackel-Mix und – spielt! Mit Mitja. Tarnkappen-Tinka würde niemals mit einem Hund spielen. Hätte ich gewettet. Und die Wette verloren. Ganz offenbar ist ihr nur noch nie ein Hund lange genug auf die Nerven gegangen. Mitja hat kein Problem damit, genau das zu tun.
Am Abend bin ich dabei, als ein solches Spiel wieder entsteht. Der Welpe legt sich neben Tinka und beginnt, genussvoll und sanft in sie hineinzubeißen. Sie macht instinktiv »Rrrrrhhhh« und wehrt Mitja mit einem Schnappen ab. Der macht unbeeindruckt weiter. Sie wehrt wieder ab. Mitja lässt sich nicht beirren. Ein schöneres Kauwerkzeug als Tinka scheint es nicht zu geben. In diesem Moment verändert sich Tinkas Blick.
Jeder kennt Gasherde mit eingebautem Zünder. Mitunter ist Dreck auf den Zünder gekommen, und die Flamme geht dadurch nicht mehr an. So hat das Überleben in Griechenland – zuerst auf einer Müllhalde, dann in einem Tierheim unter vielen größeren
Weitere Kostenlose Bücher