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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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Hunden – sicher auch bei Tinka seine Spuren hinterlassen. Das neue Leben hier hat nun zwar Tinkas »Zünder« wieder reinigen können, aber wirklich auslösen kann ihn nur ein Hund. Einer wie Mitja. Der es lange genug probiert. Und nicht aufgibt.
    In diesem Moment jedenfalls ist bereits zu sehen, dass Tinka an ihrem Abwehrverhalten Gefallen findet. Sie hat sich bequem auf die Seite gelegt und beißt spielerisch zurück. Dann springt sie auf, macht einen Wrestling-Stoß in Mitjas Seite und knurrt theatralisch: »Chrar, chraaaar.« Ihr Blick könnte dabei ausdrücken: »Ich weiß nicht, warum ich das tue, aber irgendwie macht es Spaß.« Es ist das erste Mal, seit sie bei mir ist, dass der Terrier in ihr deutlich zum Vorschein kommt. Sie kämpft lautstark für zehn, auch wenn ein halber Hund für den Welpen ausgereicht hätte. Ihr Blick leuchtet hell dabei, als ob dieses Spiel ein warmes Lichtlein in ihr angezündet hat. Ich gehöre ab sofort der Personengruppe an, die häufig eine Kamera dabeihat, um Ereignisse unmittelbar dokumentieren zu können.
    In seinem vierten Lebensmonat beginnt Mitja beim Laufen mit der Hüfte zu wackeln. In einer Tierklinik wird er geröntgt und wegen der Vermutung auf Knochenkrebs bei einer Biopsie der ohnehin beanspruchten Schultergelenke so schwer verletzt, dass er kaum noch laufen kann. Bei einer Nachoperation bleibt sein Herz stehen, und er muss dreimal wiederbelebt werden. Es liegt kein Knochenkrebs vor, aber einige Gelenke sind entweder genetisch und/oder durch die frühe Unterversorgung auf Moskaus Straßen stark geschädigt.
    Meine Tierärztin schlägt eine Goldakupunktur vor. Durch die besondere Einwirkung über den Akupunkturpunkt wird der Stoffwechsel des erkrankten Gelenkes verbessert. Die Folge ist eine Schmerzlinderung oder -befreiung. Drei Wochen später ist Mitja, auch was das betrifft, ein Goldhund. Dennoch braucht er einmal in der Woche eine osteopathische Behandlung, tägliche Übungen und wichtige Nahrungsergänzungsmittel.
    Eine meiner täglichen Übungen besteht darin, Mitja sehr langsam über flache Hindernisse gehen zu lassen, damit er die Knie wieder anheben lernt und seinen Schlenkergang aufgibt. Auch kann er bei einem sehr langsamen Lauftempo nicht den Schongang einsetzen, der zu einem falschen Bewegungsablauf führt. Mitja reißt die Stangen, die ich auf kleine Kegel lege, jedoch einfach herunter und weigert sich, die Knie anzuheben. Auch nach vielen Versuchen, in denen ich ihm spielerisch die Übung schmackhaft machen will, ist seinem Blick anzusehen, dass er auf das Ganze keinerlei Lust hat, obwohl er nun die Knie ab und zu anhebt. Weil unser Alltag sonst nur aus Handlungen besteht, die für alle einen nachvollziehbaren Sinn ergeben, und wir rein mechanische Übungen gänzlich aussparen, ist Mitjas Blick anzusehen, dass er sehr erstaunt ist von meiner Hartnäckigkeit, an etwas festzuhalten, was ihm keine rechte Freude bereitet.
    Ich erweitere das Ganze und füge Kegel hinzu, um die er im Slalom laufen kann, und ein paar Denk- und Suchspiele, bis ein kleiner Parcour entstanden ist. Allein, es ändert nichts daran, dass Mitja alles beim ersten Mal mit Freude tut, die Käsestückchenbelohnung in Empfang nimmt und mich verwundert mustert, wenn ich eine Wiederholung möchte.
    Da ich ganz am Anfang, nachdem ich meine Hundeschule eröffnet hatte, Mobility anbot, weiß ich, wie viel Freude die meisten Hunde daran haben, etwas immer besser oder schneller zu machen. Mitja jedoch ist ein Hund, der eine neue Herausforderung sucht, wenn er eine vorherige bestanden hat. Für ihn scheint eine Wiederholung meiner Übungen genauso langweilig, als ob ein Kind immer wieder zwei plus zwei zusammenzählen sollte.
    Deshalb verlege ich das Ganze in das Unterholz unseres Waldes. Dort bieten genügend Äste und kleinere Baumstämme immer wieder neue Hindernisse, die wir überwinden können. Es muss sehr langsam gehen, damit Mitja die für ihn ungewohnte Beugung der Knie spürt und verinnerlicht, um sie zu wiederholen.
    Gleich beim ersten Versuch kommt es deshalb zu einem Missverständnis.
    Mit einer Handbewegung und einem leisen, langgezogenen »Sssssssss« bremse ich Mitja, Frieda und Tinka ab und schleiche wie der Späher eines Indianerstammes ins Unterholz. Dabei lasse ich die Arme entspannt hängen und bewege kurz darauf nur leicht die Fingerspitzen mit einer winkenden Bewegung. Die Hunde verstehen durch dieses winzige Signal, dass sie nun folgen sollen. Als alle drei bei mir

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