Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
Zwinger«, ergänze ich freundlicher. »Wenn Sie Angst hätten, etwas falsch zu machen, weil Sie dann jedes Mal Tritte bekämen, und ich schrie Sie an: ›17 x 6!?‹, würde Ihnen die Lösung dann sofort einfallen?«
Der junge Mann blickt mich entsetzt an.
»Darüber habe ich so noch nie nachgedacht«, sagt er betroffen und reibt die Handflächen aneinander.
»Man kennt es bei uns nur so. Wir haben hier auch noch einen Rottweilerverein, da wird auch nur geschrien«, fügt er erklärend hinzu.
»Ich selbst könnte gar nicht so sein zu einem Tier und dachte deshalb auch, dass ich mich nicht für einen Hund eigne.«
Ich sehe ihn erstaunt an. »Und warum wollen Sie dann den Akita retten?«, frage ich.
»Na, wie ich am Telefon sagte, er sollte umgebracht werden«, antwortet der junge Mann.
»Ja, aber warum interessiert er Sie?« Ich schaue kurz zu ihm hinüber.
Er blickt mit halb geöffnetem Mund nach vorn und denkt nach. Mit einem Räuspern sagt er dann: »Mein Großvater hatte einen ähnlichen Hund, Timo. Er hat alle angeknurrt, die ihn berühren wollten, aber er war dennoch mein Freund. Ein guter Freund. Er hat mich überallhin begleitet. Er war eben nur kein Hund zum Anfassen. Als ich eines Tages aus der Schule kam, war er tot. Sie haben ihn erschossen, weil ein Nachbar ihn streicheln wollte, obwohl er wusste, dass es nicht gut ist, das zu tun. Timo hatte ihn gewarnt und angeknurrt, und der Nachbar hat deshalb ein riesiges Fass aufgemacht. Großvater musste Timo erschießen. Ich kann nicht vergessen, dass ich nicht da war, während das passierte.« Sein Adamsapfel macht einen heftigen Sprung nach oben und wieder zurück.
»Hat er auch gebissen?«, frage ich. Der junge Mann streckt abwehrend die Hände von sich. »Nein! Er hat nur gedroht oder ist ausgewichen.«
»Okay. Ich verstehe jetzt, warum Sie dem Hund helfen wollen«, sage ich und muss nun auch schlucken.
Das Dorf mit seinen Höfen zieht an uns vorbei. Niemand ist auf der Straße zu sehen. Wir schweigen.
Nach einiger Zeit sage ich: »Es ist nur so, dass das mit dem Akita wieder passieren könnte, wenn er sich ablehnend verhält. Es gibt nicht viele Menschen, die es als das Recht eines Tieres ansehen, keinen Kontakt zu fremden Menschen zu wollen. Dabei ist das ja völlig normal für alle Rassen, denen wir ein ausgeprägtes Schutzverhalten angezüchtet haben. Außerdem gibt es auch Hunde, die selbst von ihrem menschlichen Partner keine Streicheleinheiten wünschen. Viele Menschen sind jedoch noch weit davon entfernt, in Betracht zu ziehen, dass es nicht immer Unterwerfung sein muss, die einen Hund zum guten Partner macht, und dass ein Hund nicht automatisch gefährlich ist, wenn er sich in angemessener Weise eine Berührung verbittet. Dieser Hund hier«, ich nicke nach hinten, »hätte mich schwer verletzen oder töten können. Er hat es nicht getan, weil ich ihm Respekt erwiesen habe, und er könnte einem Menschen ganz sicher viel geben, wenn man ihn lässt und ihn nicht unterwerfen will.«
Über das breite Gesicht des jungen Mannes huscht ein erfreutes Lächeln. »Ihm wird keiner mehr was tun. Da können Sie sich drauf verlassen«, sagt er schlicht.
An seinem Hof angekommen öffne ich die Heckklappe des Wagens. Der junge Mann greift nach der Leine, die noch immer als Schlaufe um den Hals des Hundes liegt. Der Akita hat ganz offenbar gedöst und sieht sich blinzelnd um.
»Langsam«, sage ich, als der junge Mann an der Leine ziehen will. »Lassen Sie ihn selbst herausspringen. Laden Sie ihn einfach ein, es zu tun. Es sind diese Feinheiten, die wichtig sind bei einem Hund, der sich jedem Druck verweigert. Bitten Sie ihn einfach und verlangen Sie nur, was wirklich mit Sinn erfüllt ist und keine leere Handlung darstellt. Genaus diesen Unterschied spürt er.«
Der junge Mann blickt den Hund an und macht eine einladende Geste in Richtung Boden. »Bitte.« Der Akita gähnt und legt den Kopf wieder ab. Der junge Mann zieht an der Leine. Der Hund hebt den Kopf und blickt alarmiert. »Nicht ziehen!«, ermahne ich noch einmal mit Nachdruck. Der Mann lässt die Leine los und tritt einen Schritt zur Seite.
»Er hat die Einladung noch nicht angenommen, also lassen Sie uns einfach das Hoftor schließen. Er soll selbst entscheiden, wann er aussteigen will. Er hat einiges hinter sich, und wir müssen ihn gerade zu nichts bewegen.«
Während der junge Mann das Außentor schließt, sehe ich mich auf seinem Hof um. Ein Mähdrescher, ein Traktor …
»Sieht nach
Weitere Kostenlose Bücher