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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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ihre Präsenz nimmt, die sie bei Bedarf zückt wie eine verborgene Taschenuhr. Aber sie ist da, wenn Marcy sie braucht.
    Dieselbe Deckung benötigt Marcy, wenn sich etwas von hinten nähert. Geht Isabell allein und hat niemanden, der bei dieser ängstlichen Hündin auch hinten die Deckung übernimmt, muss sie selbst in diesem Moment hinter sie treten, um dort souverän und ruhig abzuschirmen. Dabei gilt, den Hund nicht anzusprechen, nur ihn zu sichern. Und weiter.
    Einen Monat später besuchen wir Isabell und Marcy erneut. »Haaalooo«, begrüßt Isabell uns auf ihre langsame Art und blickt wie immer eher schüchtern von unten nach oben. Obwohl ich schon beim letzten Mal sehr beeindruckt von der jungen Frau war, wird sie mich gleich erneut überraschen.
    Hätte Marcy auf einer Skala der Verhaltensstörungen beim letzten Mal noch stolze acht von zehn Punkten für sich verbuchen können, liegt der Ausschlag jetzt zwischen eins und null. Sie bleibt völlig entspannt in ihrem Hundesofa liegen, obwohl wir alle in ihre Wohnstube stolzieren. Isabell managt unseren Besuch mit so vorausschauenden und präzisen Informationslauten und kleineren Korrekturen der Hündin, dass mir vor Bewunderung der Mund offen stehen bleibt. Tatsächlich können wir also sofort weitermachen bei dem Thema: Wie kann Marcy den Besuch auch als etwas Positives erleben und damit ihre Ängste ablegen? Sicher kennt jeder Hundehalter, der seine Gäste, egal aus welchem Grund, gebeten hat, seinen Hund erst einmal nicht anzusehen, das Ergebnis: Der Gast tut genau das. Die Ursache liegt vermutlich darin begründet, dass ein Verbot Menschen geradezu hypnotisch dazu bringt, genau das zu tun, was sie nicht sollen.
    Ich verbiete Ihnen jetzt zum Beispiel, auf ein Symbol am Ende der Seite zu sehen, das ich entworfen habe. Beachten Sie dieses Symbol nicht! Falls es Ihnen gelingt, wissen Sie, wie anstrengend es sein kann, in einem Zimmer umherzuschauen und etwas Bestimmtes darin nicht betrachten zu dürfen.
    Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer gesunden Neugier!

    1 Ein Clicker ist ein Knackfrosch, der den erwünschten Moment einer Handlung einfängt, die dann noch durch ein Leckerchen positiv verstärkt wird.

In der Praxis hat es sich deshalb als praktikabler erwiesen, einem Besucher nicht etwas zu verbieten, sondern ihm zu sagen, was er stattdessen tun darf. Zum Beispiel: »Ich bin sehr froh, dass du da bist. Komm rein und sieh dich ruhig um. Meinen Hund spare dabei aus. Später zeige ich dir eine tolle Sache, die du mit ihm machen kannst, um ihm zu helfen. Solange er sich so aufregt wie jetzt, müssen wir ihn aber nicht noch zusätzlich belästigen.«
    Das hilft Besuchern. Probieren Sie es aus.
    Um zu sehen, ob diese »tolle Sache« auch bei Marcy funktioniert, bitte ich Isabell, mir ein paar Käsewürfel zu schneiden. Ich setze mich für die folgende Übung auf den Boden und halte Marcy meinen Handrücken senkrecht entgegen. Dann rufe ich: »Touch!«Marcy schießt mit der Schnauze nach vorn und stupst gegen meine Hand. Dafür bekommt sie einen Käsewürfel. Das »Kunststück« beherrscht sie deshalb schon, weil Isabell es ihr nach einem meiner Bücher bereits beigebracht hat. 2 – Bisher hat die Hündin es jedoch nur mit Isabell ausgeführt. Ehe sie nun abwägen konnte, ob es riskant ist, meine Nähe zu suchen oder nicht, wurde sie von ihrer eigenen Fähigkeit überrumpelt und machte es einfach. So nahm sie Kontakt mit mir auf, ohne sich auf die Gespenster ihrer Angst zu konzentrieren.
    Stellen Sie sich vor, ich würde mit Ihnen durch eine kleine Höhle voller Schlangen, Ratten und Spinnen gehen, und Sie hätten große Angst davor. Ich müsste Sie zuerst sicher und zielstrebig zur Höhle führen, damit Sie mir überhaupt zutrauen, dass ich weiß, was ich tue, und mir folgen (Führung). Sobald wir die Höhle jedoch betreten, würde ich Sie sofort fragen: »Wie viel ist zwei und zwei? (Es geht dabei nicht um das Rechnen, denn in Panik wäre man dazu gar nicht fähig, sondern um den Automatismus. »Zwei plus zwei« kennt man auswendig. Wahlweise wäre auch eine Frage nach dem Geburtstort möglich.) Sie erlangen die Kontrolle über die Situation, weil Sie die Antwort wissen. Dann sind wir schon wieder aus der Höhle heraus. Das »Rechnen« mit zwei und zwei ist »Touch«. Der häufig darauf folgende ungläubige Blick des Hundes scheint zu sagen: »Das gibt’s doch nicht! Ich hatte gar keine Angst.«
    Der zweite Versuch fällt dann mitunter etwas zögerlicher aus, weil

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