Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
ist und lange am Boden gelegen hat. Dann kommt er zu sich, erhebt sich taumelnd und versucht sich zu orientieren. Ihm tut alles weh. Er versucht, den Schlag wegzustecken, der ihn niedergestreckt hat, und die Ohnmacht der Niederlage.« Helmut nickt, um mir anzuzeigen, dass er auf die Pointe wartet. »In diesem Moment kommt der Trainer und streichelt ihn«, ende ich.
»Macht ein Trainer doch nicht«, erwidert Helmut sofort kategorisch.
Ich zeige auf Luise. »Auch sie kommt gerade nach vielen K.o.-Schlägen ins Leben zurück.«
»Aaaah.« Helmut hebt die Brauen und nickt.
»Und auch sie will danach nicht gestreichelt werden, sondern muss die Situation erst verarbeiten«, beende ich den Gedanken. »Also, gebt Luise jetzt einfach noch Zeit.«
»Kapiert«, sagt Helmut und verlässt das Zimmer.
»Wo ist er denn hin?«, frage ich erstaunt.
Beate blickt mich bedeutungsvoll an und sagt: »Sicher Abendbrot machen. Es ist 18 Uhr.«
»Du glaubst es nicht, aber als wir gestern Abend ins Schlafzimmer gehen wollten, lag Luise vor dem Bett und schlief. Sie verkroch sich erst, als wir das Zimmer betraten«, empfängt mich Beate am nächsten Tag voller Freude. »Und heute Morgen hat sie alle Brocken aufgefressen, die ich im Schlafzimmer verstreut habe.«
Auf dem Weg zum Wohnzimmer werfe ich einen kurzen Blick ins Schlafzimmer und nehme tatsächlich eine wunderbare Veränderung wahr. Luises Schnauze lugt unter der Bettkante hervor, und ihre Nase bewegt sich ganz leicht.
Helmut sitzt am Wohnzimmertisch und sagt bei meinem Eintreten: »Guten Morgen.«
»Ach Helmut«, sagt Beate seufzend. »Wir hatten doch besprochen, dass du auch aufstehst zur Begrüßung.«
Helmut blickt so ehrlich betroffen, dass ich sage: »Ich fühle mich völlig ausreichend begrüßt! Guten Morgen.«
In diesem Moment hören wir ein leises Geräusch. Es ist kaum zu vernehmen, doch alle Köpfe gehen synchron in Richtung Flur. Das Klackern von Hundekrallen, die viel zu lang sind, weil sie nie durch das Laufen abgenutzt wurden. Der Holzfußboden gibt es deutlich wieder. Klack. Klack. S-t-i-l-l-e.
Klack. Klack. Klack. S-t-i-l-l-e. Klack. S-t-i-l-l-e. Klack. Klack. S-t-i-l-l-e. Klack. S-t-i-l-l-e.
Ich gehe rückwärts zur geöffneten Wohnzimmertür und schaue über meine Schulter in den Flur. Mein Gesicht hat sicher den Ausdruck einer Lottogewinnerin, als ich mich zu den beiden umdrehe und sage: »Sie ist in den Flur gekommen und sieht erwartungsvoll in unsere Richtung.«
Beate und Helmut blicken sich an. »Das hätt ich nicht gedacht«, sagt Helmut, und in seinem sonst so sachlichen Tonfall schwingt jetzt eine Mischung aus Unglaube und Freude mit. »Ich auch nicht«, pflichtet Beate ihm flüsternd bei.
Ich gehe zwei Schritte in Richtung Flur und hocke mich hin: »Guten Morgen, mein Mädchen. Du bist ja unglaublich«, sage ich freundlich und anerkennend.
Die Hündin sieht mich aufmerksam an und übt einen schüchternen Schwanzwedler. Ihre Pupillen haben eine normale Größe angenommen und die Starre verloren, die in ihnen lag, als ich sie kennenlernte. Langsam kommt sie auf mich zu und setzt sich neben mich. Mit der Außenfläche der Hand streiche ich sanft über die Seite ihres Brustkorbs. Weil sie es zulässt, intensiviere ich die Berührung und massiere mit meinen Fingerkuppen die Muskeln neben der Wirbelsäule. Sie sind knochenhart und sehr verspannt. Nach wenigen Minuten legt sich Luise hin und beginnt zu schmatzen.
»Ihr könntet jetzt herkommen«, lade ich Beate und Helmut ein, die, in den Türrahmen gelehnt, zusehen.
Luise hebt den Kopf, als sie die Bewegung der beiden wahrnimmt, legt ihn jedoch wieder ab, als sie sich, neben uns stehend, nicht mehr rühren. Weil Beate sich vermutlich nicht ohne weiteres bücken kann, bedeute ich Helmut mit einem Blick auf meine Hand, die Massage zu übernehmen.
Er versteht, hockt sich hin und gibt mit seinen Fingerkuppen einen leichten Druck links und rechts neben Luises Wirbelsäule. Dabei fährt er jene langsam auf und ab, und ich bin beeindruckt, wie genau er beobachtet hat und meine Vorgabe imitiert.
Luise hat sich auf die Seite gelegt, als plötzlich ein kleiner unmerklicher Ruck eine weitere Überraschung ankündigt. Sie drückt ihr oben liegendes Hinterbein etwas durch. Wartet. Rollt dann leicht herum. Wartet. Kippt das gestreckte Bein zur Seite. Und liegt nun so, dass ihr Bauch sich Helmut entgegenstreckt. Obwohl Helmut nach unten blickt, meine ich auch an ihm eine starke Regung zu sehen. Sein Atem
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