Wie weit du auch gehst ... (German Edition)
auf der Suche nach einer günstigen Gelegenheit das Päckchen förmlich aus den Händen gerissen haben musste. Wäre ihre Abneigung gegen jedwede Art von männlichem Interesse nicht so tief verwurzelt, hätte sie seiner Beharrlichkeit vielleicht sogar Bewunderung gezollt. Anbetracht ihrer Erfahrung mit Michael hingegen bestärkte sie Rolands im Grunde unsensibles Verhalten nur noch darin, sich nie wieder auf einen Mann einzulassen. Ihre Meinung und ihre Wünsche waren ihm genauso egal wie ihre Privatsphäre. Er wollte sie haben und sie hatte seufzend dahinzuschmelzen. Nein danke, nicht mit ihr. Nie mehr!
Wenigstens war er bisher noch nicht der Idee verfallen, sie vertraulich zu berühren oder ihr anderweitig zu nahe zu treten. Sie war überzeugt, dass ihr Nachbar in diesem Fall ziemlich staunen würde, zu welchem Widerstand sie fähig war. Schon einmal hatte ein Mann erlebt, wie vulkanartig die über Jahre sorgsam kontrollierte Panik aus ihr hinausbrechen konnte. Der Ahnungslose war ein verkleideter Faschingsclown gewesen, der sie ohne Vorwarnung von hinten gepackt hatte. Constanze war damals zu Tode erschrocken und hatte sich verzweifelt gewehrt. So schnell war sie noch nie losgelassen worden. Dem Mann hatte der Vorfall mindestens ebenso leidgetan, wie er ihr peinlich gewesen war. Seit diesem Tag stand sie auf den Faschingsumzügen, die Eliah so sehr liebte, vorsorglich immer mit dem Rücken zur Wand.
»Ich muss Eliah noch abholen und einkaufen. So gegen zwanzig Uhr müssten wir da sein.«
»Super. Dann bis heute Abend.«
Sie legte den Hörer auf und runzelte schicksalsergeben die Stirn. Jetzt hatte sie Roland schon wieder an sich kleben.
»Du musst ihm einfach härter entgegentreten«, bemerkte Beate, als könnte sie Gedanken lesen. »Solange du ihm nicht klipp und klar die Meinung geigst, wird er dich nie in Ruhe lassen.«
Mit einem inbrünstigen Schnauben setzte sich Constanze auf den Rand des Schreibtischs. »Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft ich das bereits versucht habe. Er will es einfach nicht begreifen.« Constanze griff nach einer Keksdose. »Ich verstehe das alles sowieso nicht. Warum hat er es ausgerechnet auf mich abgesehen? In Köln gibt es weiß Gott genug alleinstehende Frauen, die danach lechzen, einen Mann zu finden.«
»Du bist halt was Besonderes. Deine schüchterne Art weckt in jedem Typen den urmännlichen Beschützerinstinkt.«
An einem Schokoladenkeks knabbernd beäugte Constance ihre Angestellte, die ihren Blick zum Anlass nahm, weiterzusprechen.
»Ich weiß zwar nicht, was genau du bisher mit Männern durchgemacht hast, du musst es mir auch nicht sagen, wenn du nicht willst, aber ich kenne dich jetzt seit zwei Jahren. Du bist nicht ein einziges Mal ausgegangen oder hast dich mit irgendwelchen Typen verabredet. Denkst du nicht, es ist an der Zeit, über Was-auch-immer-dir-passiert-Ist hinwegzukommen und einen Neuanfang zu wagen? Ich garantiere dir, dein Traummann spaziert irgendwo da draußen herum. Du musst ihm nur die Chance geben, dich zu finden.«
Constanze verschränkte die Arme vor der Brust. »Du hast nicht zufällig von Susanne den Auftrag erhalten, mich unter die Haube zu bringen? Du klingst nämlich verdächtig nach ihr.«
Beate begegnete ihrem fragenden Blick arglos und zuckte leichthin mit den Schultern. »Dafür brauche ich keinen Auftrag. Wenn wir Mädels im gleichen Team spielen, dann liegt das offensichtlich daran, dass wir recht haben. Wir wünschen uns halt beide, dass du glücklich wirst.«
Constanze warf flehend die freie Hand in die Luft. »Aber ich bin doch glücklich. Wo steht bitte geschrieben, dass man zum Glücklichsein unbedingt einen Mann braucht? So ein ausgemachter Quatsch.«
Beate, von ihrem Ausbruch gänzlich unbeeindruckt, grinste sie tiefgründig an. »Also wenn du das wirklich glaubst, dann hat du Mr. Right definitiv noch nicht getroffen.«
Darauf wusste Constanze nichts zu sagen. Sie wusste nur, dass sie bereits einen Mr. Wrong geheiratet hatte und das war ihr Lektion genug gewesen.
Die Türglocke schellte. Constanze stellte die Keksdose ab und sprang auf, erleichtert, weiteren Eingriffen in ihr Privatleben entfliehen zu können.
Als hätten die Kunden sich untereinander abgesprochen, stürmten sie aneinandergereiht wie eine Perlenkette in den Buchladen und gaben sich bis Geschäftsschluss quasi die Klinke in die Hand. Beate und sie kamen nicht mehr dazu, Luft zu holen, geschweige denn, eine kleine Pause zu machen.
Erschöpft,
Weitere Kostenlose Bücher