Wie weiter?
Zinsen käme ohnehin kein Gewinnzuwachs heraus.
Die erste Rentenrasur in Deutschland erfolgte zunächst durch Union und FDP, 2001 haben SPD und Grüne scharf nachgewaschen. Das führte zu einem Paradigmenwechsel bei der Alterssicherung.
Das Rentenniveau wurde von 53 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns im Jahr 2030 gesenkt. Man überlege sich einmal, wie viel Geringverdienende wir haben und wie viele Normalverdiener. Und welche Renten das bedeutet.
Die Anrechnungszeiten für die Kindererziehung und die eigene Ausbildung wurden gekürzt. Die Rentenzahlung wurde durch die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahren um zwei Jahre beschnitten.
Es ist schon erstaunlich, wie sehr die meisten Parteienvertreterinnen und -vertreter im Bundestag den Blick für die Wirklichkeit verloren haben. Ist es bewusste Ignoranz oder lebt man in einer Parallelwelt, in der es Existenznöte und -ängste nicht gibt? Im Juni 2011 hatten von allen 64-Jährigen in Deutschland lediglich 9,9 Prozent einen Vollzeitjob. Konkret waren das 14,1 Prozent der Männer und 5,9 Prozent der Frauen.
Den anderen, also über 90 Prozent, sagt man, sie sollen zwei Jahre länger arbeiten.
Wo denn? Bei wem? Als was?
Als Politiker kann man vielleicht auch noch mit 90 arbeiten, aber als Dachdecker oder OP-Schwester geht das nicht. Es wird ignoriert, dass es unterschiedliche Professionen mit unterschiedlichen Belastungen gibt. Hier findet eine Gleichmacherei statt, die ich für unzulässig halte.
Die Erwerbsminderungsrenten wurden ebenfalls gekürzt. Die Unternehmen wurden teilweise aus der paritätischen Finanzierung entlassen, indem den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern geraten wurde, private oder betriebliche Vorsorge zu treffen.
Bei der privaten Vorsorge erfand man die sogenannte Riester-Rente. Dafür zahlen die Leute selbst, dann gibt es noch staatliche Zuschüsse, und die Unternehmen sind von jedem Beitrag befreit. Genau das war gewollt!
Das bedeutete aber auf der anderen Seite: Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kam wieder weniger Netto vom Brutto heraus. Die staatlichen Zuschüsse erhielten ja nicht die Betreffenden, sondern die Versicherungsunternehmen. Von 2002 bis 2011 waren das 16,6 Milliarden Euro. Deshalb spendet die Allianz jedes Jahr an Union, SPD, FDP und Grüne, nur an die Linke nicht. Man ahnt, woran das liegt.
Drei Beispiele. Zwei Arbeitnehmerinnen haben seit ihrem 35. Lebensjahr in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Beide verdienen 1.790 Euro netto im Monat. Das sind keine Geringverdienenden. Die eine zahlt bei »Riester« ein, und die andere nicht. Beide werden am selben Tag Rentnerinnen. Was kommt bei ihnen heraus? Die mit der Riester-Rente erhält 640, die andere 500 Euro. Weder von der einen noch von der anderen Summe kann man leben. Beide erfüllen die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Grundsicherung von 707 Euro und beantragen sie darum auch. Daraufhin bekommt die eine einen Zuschuss von 207 Euro und die andere, die jahrelang zusätzlich eingezahlt und sich den Riester-Beitrag abgespart hatte, einen von 67 Euro. Ist das gerecht? Nein, das ist skandalös!
Zweites Beispiel. Eine Rentnerin, 70 Jahre alt, hat drei Kinder aufgezogen und Jahrzehnte als Verkäuferin und Kassiererin gearbeitet. Sie schrieb mir, dass sie heute eine Rente von 599 Euro bekäme. Sie könnte Grundsicherung beantragen. Das macht sie aber nicht. Sie will das nicht. Sie sagt, dass es sie demütigt. Viele verhalten sich so wie sie.
Hinzu kommt noch: Falls die oder der Betreffende ein Häuschen oder eine Eigentumswohnung besitzt, die vermeintliche Altersvorsorge, entscheidet dies gegen die Vergabe einer Grundsicherung.
Die Krönung jedoch: Hat man ein Sparguthaben über 2.600 Euro – das ist weniger, als selbst ein Hartz-IV-Beziehender haben darf –, braucht man gar nicht erst den Antrag zu stellen. Erst müssen die Rücklagen aufgezehrt werden, bevor sie oder er die Grundsicherung bekommt. Das ist indiskutabel!
Die 70-jährige Rentnerin muss bis an ihr Lebensende in einem Minijob arbeiten, um existieren zu können.
Aktuell, das heißt im Frühjahr 2013, beziehen hierzulande 436.000 Menschen Grundsicherung im Alter. 925.000 könnten sie beantragen, tun es aber nicht. Zwei Drittel von ihnen besitzen noch zu viel oder verzichten auf den Rechtsanspruch, weil er so demütigend organisiert ist.
Drittes Beispiel: Eine Frau, die vor zehn Jahren im Alter von 35 Jahren einen Riester-Rentenvertrag abschloss,
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