Wie wir gut zusammen leben
das, was zwischen uns geschieht. Ohne dieses Zwischen und ohne die Verschiedenheit der Menschen untereinander gäbe es also gar keine Politik. Hannah Arendt hat es auf den Punkt gebracht: Wer Pluralität aufhebt, löst Politik auf. Die Ausgangsfrage der Politik lautet deshalb: Wie sollen wir zusammen leben?
Politik zu betreiben, ist eine Herausforderung. Die Erfahrung von Pluralität ist nämlich schmerzhaft, konfrontiert sie mich doch mit anderen Perspektiven; sie ist aber auch befreiend, weil sie meine verengten Blickweisen durchbricht. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass es in der Politik Bestrebungen gibt, dieser Herausforderung auszuweichen. So haben sich einige CDU-Politiker zu dem »Arbeitskreis Engagierter Katholiken« (AEK) zusammengeschlossen, um das Fundament der CDU zu sichern. Sie möchten,
»dass sich die Politik wieder stärker auf die Fundamente römisch-katholischen Glaubens, insb. das christliche Menschenbild besinnt und sich wieder stärker an der u. E. verbindlichen Grundordnung, die uns die H eilige Schrift vermittelt, orientiert«. ( aek-online.de/wir.htm , 10.12.2012)
Nicht zuletzt ein Schwund von katholischen Wählern, die immer noch die Stütze der CDU sind, lässt Katholiken in der CDU aufhorchen. Nun möchte der AEK keine christliche Politik betreiben, sondern »Politik aus christlicher Verantwortung«. Nichtsdestotrotz wird Pluralität als Bedrohung wahrgenommen, und somit besteht die Gefahr, dass hier in erster Linie eine Politik von und für Christen angestrebt wird. Wäre dem so, dann würde Pluralität schlussendlich aufgehoben und damit der Politik ihr Fundament, die Verschiedenheit, entzogen werden.
Heißt das aber nun, dass eine christlich fundierte Politik notwendigerweise antipolitisch, weil antipluralistisch ist? Keineswegs! Eine christlich inspirierte Politik müsste sich als Garant der Verschiedenheit der Menschen verstehen. Der Anschein der Rechthaberei läge ihr fern. Eine christlich fundierte Politik würde an den biblischen Gott erinnern. Dieser steht für eine Einheit im Himmel, die eine Vielheit auf Erden erschaffen hat. Das biblische Gottesgedächtnis christlich fundierter Politik besitzt zudem ein Wissen davon, dass Gott nicht zum Besitz einer bestimmten Gruppe herabgestuft werden darf. In diesem Sinne gilt, dass mein Gott nur mein Gott sein kann, wenn er ebenso dein Gott ist. Vertreter einer solchen christlich fundierten Politik sähen sich nicht als Konkurrenten Andersgläubiger, sondern als Garanten ihrer Andersheit. Religionsfreiheit wäre das Zentrum einer christlich fundierten Politik. Die Anerkennung der Religionsfreiheit istnicht zuletzt eine Frucht des christlichen Glaubens, der jeglichen Zwang in Glaubensfragen verbietet. Die Würde der Person geht auch nach katholischem Verständnis dem Recht auf religiöse Wahrheit voraus.
Eine solche christlich fundierte Politik würde Politiken der Feindschaft radikal infrage stellen. Letztere unterteilen die Menschen in Freunde und Feinde. Ihre Welt ist dualistisch, aufgefächert in Gut und Böse, Licht und Finsternis, guter Gott und schlechter Gott. Die Anziehungskraft solcher Stereotypen resultiert aus der Einfachheit, mit der die Welt zergliedert wird. Gegenüber dualistischen Freund-Feind-Politiken würde eine christlich fundierte Politik darauf hinweisen, dass jeglicher Dualismus mit dem Glauben an den einen und einzigen Gott unvereinbar ist. Dieser Glaube ist nämlich durch und durch antidualistisch. Der Sinn des Glaubens an die Einzigkeit Gottes liegt nicht, wie der katholische Theologe Hans Zirker gezeigt hat, in der bloßen Behauptung,
»daß es nur einen Gott gebe statt vieler, sondern in seiner Bestimmung der menschlichen Welt: daß sie nicht gespalten sein soll im Widerstreit göttlicher Mächte und in der Verteilung unterschiedlicher Herrschaftsregionen, nicht zerrissen in einem unüberwindbaren Dualismus von Licht und Finsternis, von gutem und bösem Sein, nicht endgültig pluralisiert in der antagonistischen Selbstbehauptung der Völker«.
Wenn das »C« in der CDU für eine solche Politik steht, dann ist sie als CDU auch für Anhänger anderer Religionen wählbar.
Damit wir als Bürger handlungsfähig bleiben, benötigen wir mehr zum Leben, als wir zum Überleben brauchen. Ein gemeinwohlorientiertes Handeln zielt auf ein gutes Leben. Ein gutes Leben ist ein Leben, das hilft, personale Identität auszubilden und Sinn zu finden. Der Philosoph Axel Honneth hat aufgezeigt, dass wir ohne
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