Wie wollen wir leben
Südtirol und in den ungeraden auf der englischen Kanalinsel Guernsey. Da hat man sich ausgekannt, da war man sofort zu Hause, wenn man wiederkam. Selbstverständlich haben wir uns
auch woanders umgeschaut, etwa in Griechenland oder in Burgund. Aber Urlaub haben wir in Oberbozen, also in Südtirol, und auf Guernsey gemacht.
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Haben Sie nie eine Reise mit einem groÃen Schiff irgendwo weit weg unternommen?
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Einmal sind wir mit der Hurtiglinie entlang der Fjorde Norwegens gereist und dann bis nach Spitzbergen gekommen. Aber da gerade von Reisen die Rede ist: Es gab eine, die für mein Leben ganz wichtig war, eine Studienreise. Ende der fünfziger Jahre hatten die Amerikaner ein Programm für sogenannte hopeful young men, also für hoffnungsvolle junge Menschen. Für dieses Programm meldete ich mich Ende 1958 an, und eines Tages wurde mir mitgeteilt, ich solle mich zu einer Prüfung einfinden. Während dieser hat ein amerikanischer Beauftragter länger mit mir geredet, damals war ich schon berufsmäÃiger Stadtrat in München. Das Ergebnis dieser Unterredung war eine Einladung zu einer sechswöchigen Reise durch die Vereinigten Staaten. Diese war groÃartig organisiert. Ich kam in Washington an, und die ersten drei Tage wurde ich »gebrieft«, wie ich die nächsten Wochen zu bewältigen hätte. Jeder von den Eingeladenen erhielt eine Liste mit Privatadressen, und dann reiste man selbst los und wurde in den jeweiligen Städten von Familien aufgenommen, immer für zwei oder drei Tage. So gelangte ich nach San Francisco, New Orleans und New York. Auf diese Weise lernte ich das Land sehr gut kennen. Seit dieser Zeit bin ich auch ein wenig zum Spezialisten für den Amerikanischen Bürgerkrieg geworden, weil ich einige Schlachtfelder besuchen konnte.
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Das klingt nach Abenteuer.
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Bevor die Olympischen Spiele 1972 in München stattfanden, flog ich als Vizepräsident des Organisationskomitees auch nach Mexiko, nach Australien, nach Japan und in viele andere Länder. Und 1992 habe ich im Auftrag der Sozialistischen Internationalen eine Reise durch die vierzehn Nachfolgerepubliken der Sowjetunion unternommen.
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Hatten Sie einmal die Sehnsucht, woanders zu leben?
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Nein. München ist zu meiner Heimat geworden.
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Wir haben schon über den guten Zustand unserer Gesellschaft gesprochen. Sie hatten gesagt, dass man die Lebensqualität nicht allein am materiellen Wachstum messen kann, dass dieser wirtschaftliche MaÃstab mit einem dicken Fragezeichen versehen werden muss. Sie sagten, um Lebensqualität zu messen, könne man verschiedene Aspekte heranziehen: Zufriedenheit der Menschen, Gesundheit, Frieden, keine inneren Konflikte, kein Terror, Arbeit, sinnvolle Arbeit, Familie und ein Lebensumfeld, in dem man sich geborgen fühlt, Heimatverbundenheit, Freiheit der Meinung, des Denkens, Religionsfreiheit. Das alles waren für Sie Kriterien â¦
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⦠die man schwer quantifizieren kann.
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Wenn ich Sie richtig verstehe, könnte ein gültiger MaÃstab nur durch eine Vergleichbarkeit hergestellt werden, wenn man einen Index »Lebensqualität« hätte. Einen Index über den Krankenstand der Deutschen zu errechnen, ist natürlich viel einfacher, zumal es da verwendbare statistische Daten gibt. Aber wie misst man Unzufriedenheit am Arbeitsplatz, soziale Konflikte, innere Auseinandersetzungen? Reichen Umfragen über Geborgenheit, um die Zufriedenheit der Menschen zu erfassen?
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Insgesamt sind die Vorgehensweisen heutiger Meinungsforscher stabiler und belastbarer, als sie es etwa in den Anfangszeiten waren Im Gegensatz zu Gesundheitsdaten wird man Zufriedenheit nie mit objektiven Fakten messen können. Jemand meinte einmal, man könnte, um die Zufriedenheit der Bürger festzustellen, die Zahl derer ermitteln, die psychische oder Suchtprobleme haben. Aber dies wäre nicht genug, um darüber zu entscheiden, ob wir wirklich in einem uns einigermaÃen befriedigenden Zustand leben oder nicht. In Zukunft wird es immer wichtiger, zu erkennen, dass es Dinge gibt, die nicht mehr wachsen dürfen, weil der Schaden, der dadurch ausgelöst wird, gröÃer ist als der Nutzen.
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Zum Beispiel der Energiehunger?
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Ja. Hier muss in den Vordergrund treten, dass die Energie besser ausgenutzt, dass sie effektiver wird. In meinen Vorträgen und öffentlichen Reden habe ich oft gesagt:
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