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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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»Überlegt einmal, die Natur hat die fossilen Vorräte Öl und Gas in Hunderten von Millionen Jahren angesammelt, und wir haben diese Vorräte in nicht einmal zweihundert Jahren zu einem wesentlichen Teil verbraucht. Das erinnert ein bisschen an Leute, die das Vermögen ihrer Vorfahren in kurzer Zeit verprassen.« Manche Zuhörer sind durch diesen Gedanken nachdenklich geworden. Man muss ihn im Auge behalten, wenn man von weiterem Wachstum redet.

Über acht Jahre Latein, die Erinnerung an das NS-Gewaltregime und Dominosteine
    Ist das Bildungsniveau in Deutschland seit Ihrer Schulzeit gesunken?
    Â 
    Da muss ich jetzt vorsichtig sein. Zwar erinnere ich mich gut an meine eigene Schulzeit und auch an die meiner Kinder. Aber ich habe nur einen kleinen Einblick in die Schulwirklichkeit meiner Enkel und Enkelinnen. Obwohl ich in der Nazizeit zur Schule ging, bin ich rückblickend mit dem damaligen Bildungsniveau zufrieden. Das Gymnasium, das ich von 1935 bis 1943 in Gießen besuchte, war von der NS-Ideologie relativ unberührt. Wenn ich heute unsere Abiturzeitung lese – ich war damals eine Art Chefredakteur – , staune ich, was wir uns darin an kritischen und doppeldeutigen Bemerkungen leisten konnten.
    Ich bin heute noch der Meinung, dass acht Jahre Latein gut und sechs Jahre Griechisch nicht schlecht waren. Meine Enkel wissen – schon wegen des Internets – eine Menge mehr als wir damals. Ob das ebenso für Geschichte oder die alten Sprachen gilt, bezweifle ich. Aber Bildung darf nicht nur Wissen vermitteln, damit der Produktionsfaktor Mensch für seine wirtschaftliche Verwendbarkeit optimiert wird. Bildung ist auch Bildung der Persönlichkeit, Bildung sollte Orientierung geben, Kriterien darlegen. Man sollte ebenso darüber reden, was Menschen tun können, um mit sich selbst im Reinen zu sein. Inwieweit das tatsächlich im heutigen Religions- oder Ethikunterricht erfüllt wird, das kann ich im Einzelnen nicht beurteilen.
    Â 
    Die Schulzeit ist kürzer geworden, dafür ist aber die Menge dessen, was man wissen müsste, gestiegen – alle fünf Jahre verdoppelt sich angeblich das weltweit verfügbare Wissen. Wie bringt man das mit der Tatsache der Schulzeitverkürzung zusammen? Das kann doch gar nicht funktionieren.

    Â 
    Die Verkürzung war angesichts des internationalen Vergleichs notwendig. Auch aus diesem Grund muss man Kindern nicht immer weitere Wissensgebiete einverleiben. Wichtiger wäre, ihnen beizubringen, wie man Wissen auf einem bisher nicht bekannten Gebiet erwerben kann. Es geht eher um die Methode, wie man sich auf einem neuen Gebiet etwas aneignet, als das Gebiet selbst noch rasch mitzunehmen.
    Â 
    Aber passen acht Jahre Latein und sechs Jahre Griechisch noch zusammen mit dem, was man heute macht?
    Â 
    Ich trete nicht dafür ein, weiterhin sechs Jahre Griechisch zu lehren. Aber ich sehe es gern, dass da und dort Griechisch als Leistungskurs angeboten wird. Meine Enkelin hat sich zu einem solchen angemeldet, aber ganz von sich aus, nicht auf mein Zureden hin.
    Â 
    Wo haben Sie Latein gebraucht?
    Â 
    Latein ist eine Grundlage für viele andere Sprachen, und außerdem ist es eine ungeheuer disziplinierende Sprache.
    Â 
    Genau das wollte ich hören.
    Â 
    Nehmen Sie einen lateinischen Text und übersetzen Sie ihn ins Deutsche. Wenn Sie beide Texte nebeneinander legen, sehen Sie, dass Latein höchstens zwei Drittel der Seite braucht, die man im Deutschen benötigt. Das hat mich immer wieder beeindruckt.
    Â 
    Ich wage mal zu sagen, Latein ist etwas für Pedanten.
    Â 
    Nicht nur für Pedanten. Ich könnte auch Nicht-Pedanten nennen, die sich sehr freundlich über das Latein geäußert haben.
    Â 
    Das war eine unqualifizierte Bemerkung meinerseits; ich bin wegen einer Fünf in der elften Klasse am Latinum gescheitert. Können Sie heute noch Gedichte aufsagen, die Sie in der Schule gelernt haben?
    Â 
    Kaum. Mein Vater konnte von Homers Odyssee einen ganzen Gesang auswendig, ich nur die ersten Worte: »Andra moi ennepe, Mousa, polytropon, hos mala polla planchthe, epei Troies hieron ptoliethron
epersen.« Schillers Das Lied von der Glocke habe ich mal gelernt.
    Â 
    Können Sie es noch?
    Â 
    Nicht mehr, aber ich kann Ihnen Lieder von Paul Gerhardt aufsagen, dem barocken Kirchenlieddichter, mit allen Strophen – vierzehn sind es manchmal. Aber die habe ich mir erst später

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