Wie zaehmt man einen Herzensbrecher
natürlich genoss. Aber das, was er verkaufte, war ja nicht von dauerhaftem Wert, sondern eher kurzlebig, eine Erkenntnis, die Jake plötzlich den Stolz auf das Erreichte verdarb.
„Die beliebtesten Klingeltöne, die Jake auf den Markt gebracht hat, sind weltweit mehrere Millionen Mal verkauft worden“, warf Merlina ein.
„Du machst Witze!“, wehrte Danny ab.
„Nein. Viele Menschen haben großen Spaß daran“, erklärte sie sachlich. „Sie wollen damit ihre Individualität unterstreichen oder ihre Persönlichkeit zum Ausdruck bringen. Ihr solltet es nicht schlechtmachen, nur weil ihr selber nie auf die Idee gekommen wäret.“
Sie verteidigte ihn. Oder griff ihre Brüder an, weil sie so engstirnig waren. Lag darin vielleicht das Geheimnis, warum sie von hier fort und in die Großstadt gegangen war? War es ihr hier zu eng geworden?
„Wir wollten es nicht schlechtmachen, Jake“, entschuldigte sich Danny sofort. „Wenn es für Sie das Richtige ist –okay!“
„Wahrscheinlich würden wir uns in der Großstadt nur schwerlich zurechtfinden“, meinte Joe selbstkritisch.
„Es ist eine sehr bunte Welt.“ Wieder versöhnt mit seinem Geschäft, drückte Jake Merlina dankbar die Hand.
Sie waren jetzt schon ein ziemliches Stück hinausgefahren und erreichten die ersten Weingärten der Rossis. Danny und Joe erzählten Jake von den verschiedenen Rebsorten, die sie kultivierten, und welche Weine sie daraus herstellten. Ihr unverhohlener Stolz auf das eigene Land und das, was sie darauf produzierten, verunsicherte Jake erneut.
Merlina hatte recht, er betrat hier eine ganz eigene Welt, die irgendwie solider, greifbarer zu sein schien, und beneidete Merlinas Familie um ihr Gefühl von Zugehörigkeit und Verbundenheit zu diesem Ort. Sie waren hier geboren und aufgewachsen, sie arbeiteten hier und würden wahrscheinlich auch hier sterben. Eine beschränkte Existenz, hätte man meinen können, und dennoch strahlten sie eine Zufriedenheit aus, die er niemals empfunden hatte. Er hatte sich nie irgendwo besonders zu Hause gefühlt. Seine Mutter war gern umgezogen. Am längsten hatte er in seiner Schulzeit im Internat an einem Ort gewohnt, was ganz in Ordnung gewesen war, wenngleich kein Zuhause. Die Villa seines Großvaters in Vaucluse war die einzige Konstante in seinem Leben gewesen, aber zu Besuch sein war nicht das Gleiche wie dort hingehören. Nicht einmal das luxuriöse Penthouse, in dem er gegenwärtig wohnte, bedeutete ihm irgendetwas.
„Da wären wir!“, verkündete Joe schließlich, als der Range Rover vor einem Tor anhielt, an dessen Querbalken eine ganze Horde Kinder turnte. Zwei große Hunde – ein Labrador und ein Boxer – sprangen wild bellend um sie herum. Joe streckte den Kopf aus dem Seitenfenster und rief: „Macht das Tor auf, ihr Bande!“
Einer der Jungen sprang herunter und schob das Tor auf, während der Rest der Kinder sich winkend und aufgeregt rufend mitschieben ließ.
„He, Merlina, wir haben einen neuen Bruder!“
„Wir wollen deinen Freund sehen, Merlina!“
„Das ist ihr Verlobter, nicht ihr Freund.“
„Ich will ihn zuerst sehen!“
„Nein, ich!“
„Merlina, gehst du mit uns zu Fuß zum Haus?“
Alle riefen „Ja“ im Chor, was Joe veranlasste, auf die Bremse zu treten und sich zu Merlina und Jake umzudrehen. „Wollt ihr von hier aus zu Fuß gehen?“
Merlina sah Jake fragend an.
„Wie könnten wir sie enttäuschen?“, meinte er und öffnete den Wagenschlag.
Merlina stieg auf ihrer Seite aus und war im nächsten Moment von den Kindern und den beiden Hunden umringt. Alle wollten gebührend begrüßt werden.
Jake beobachtete die Szene. Er hatte nie einen Hund besessen und fragte sich, wie es wohl gewesen wäre, schwanzwedelnd und voll überschwänglicher Zuneigung begrüßt zu werden. Vermutlich hätte es seine Kindheit weniger einsam gemacht. Diese Kinder hier hatten großes Glück, in einer so großen Familie aufzuwachsen, die fest zusammenhielt und für eine Stabilität sorgte, in der auch Haustiere ihren ganz selbstverständlichen Platz hatten.
Joe und Danny fuhren zum Haus weiter, während Jake großen Spaß an der Gesellschaft der Kinder hatte: an den vorwitzigen Fragen der Jungen, der koketten Schüchternheit der kleinen Mädchen und an den gutmütigen Neckereien, mit denen sie sich gegenseitig aufzogen. Ganz offensichtlich war Merlina die Lieblingstante ihrer Nichten und Neffen, und Jake beobachtete fasziniert, wie geduldig und fröhlich sie auf jedes
Weitere Kostenlose Bücher