Wie zaehmt man einen Scheich
schließlich dem Auftragen der Henna-Ornamente auf Händen und Füßen, um zu zeigen, dass sie die Traditionen Al-Jirads hochhalten würde.
Es hatte Stunden gedauert, aber … der Tag konnte doch nicht so einfach verflogen sein? Ein Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims jedoch sagte ihr, dass Rani recht hatte. In weniger als zehn Minuten würde die Trauung beginnen.
Aisha schloss die Augen. Ihr war übel.
„Kein Grund, nervös zu sein, Prinzessin. Sie sehen wunderschön aus.“ Rani missverstand die Reaktion offensichtlich.
Denn es hatte nichts mit der typischen Nervosität der Braut vor der Hochzeit zu tun, schließlich war nichts an dieser Hochzeit typisch. Auch wenn Rani ihr jetzt einen Spiegel vorhielt und Aisha unwillkürlich vor Erstaunen nach Luft schnappte.
Sie blinzelte und schaute genauer hin. Das sollte sie sein? Diese wunderschöne Frau dort im Spiegel in dem goldenen Kleid, mit den Perlenschnüren in dem hochgesteckten dunklen Haar? Ihre Augen wirkten riesig, umrandet mit Kajal und betont mit sanft schimmerndem Lidschatten, ihre Lippen glänzten voll und kirschrot.
Sie sah aus wie eine echte Braut, doch die Ungeheuerlichkeit, zu einer Ehe gezwungen zu sein, lag ihr wie ein Bleigewicht in der Brust. Gezwungen, einen Fremden zu heiraten. Einen Despoten.
Einen Barbaren, dem nicht sie wichtig war, sondern nur das, was er mit ihr erreichen konnte.
„Absolut hinreißend, Prinzessin. Perfekt. Scheich Zoltan wird seiner Braut nicht widerstehen können.“
Aisha presste die Lippen zusammen. Hoffentlich half das, denn sonst würde sie in der goldenen Robe zum Bad stürzen müssen und die wenigen Schlucke Tee, das Einzige, was sie heute hinunterbekommen hatte, wieder ausspucken.
Sie konzentrierte sich darauf, tief und ruhig zu atmen. Nein, das würde sie nicht zulassen. Sie würde ihren Vater und ihr Land nicht beschämen. Mit aller Willenskraft bezwang sie ihren Körper, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Dann lächelte sie den Frauen zu, die alle vor Zufriedenheit mit ihren Bemühungen strahlten, und sagte mit dem leisesten Anflug von Ironie: „Dann sollten wir den Scheich besser nicht warten lassen.“
Die Trauung sollte hier im Palast stattfinden und kurz gehalten werden, schließlich trauerte die Nation um die königliche Familie. Sobald die Zeit der Staatstrauer vorüber war, würde die Krönung folgen. Die Hochzeit diente dazu, Zoltans Anspruch als nächstem Herrscher auf dem Thron zu festigen.
Aishas Magen zog sich schmerzvoll zusammen, als man sie gemessenen Schrittes in einen prunkvollen Ballsaal führte, in dem Zoltan und ihr Vater zusammen mit einer ausgewählten Gruppe von Gästen bereits warteten. Sie suchte in der Menge nach ihrer geliebten Schwester und spürte die Enttäuschung in sich aufsteigen, als sie sie nirgends entdeckte. Entweder hielt Marina ein Kommen nicht für nötig, oder aber sie hatte es aus irgendeinem Grund nicht geschafft. Marina hatte noch nie viel auf Konventionen gegeben, hatte immer nach eigenen Regeln gelebt, und wenn etwas schiefging, schob sie niemandem die Schuld zu außer sich selbst.
Vielleicht hatte Marina ja schon immer recht gehabt.
Die Musik spielte auf. Schritt für Schritt ging Aisha ihrem Schicksal entgegen. Ihr Vater lächelte ihr stolz zu, zum Teil als der Vater, der seine Tochter nach der Rettung noch nicht gesehen hatte und froh um ihre Sicherheit war, zum Teil als der Mann, der seine Krone behalten konnte. Aisha verübelte es ihm nicht. Er war zum König geboren, ein anderes Leben konnte er sich nicht vorstellen, und Jemeya kannte es nicht anders. Und sie … sie war seine Tochter und liebte ihn, deshalb tat sie ihr Bestes, um ein Lächeln in ihre starren Züge zu legen. Sie war nicht sicher, ob es ihr gelang.
Der andere Mann, der an der Seite ihres Vaters stand, überragte den Älteren um Haupteslänge. Fast wäre Aisha stehen geblieben, als sie das Mal sah, das sie mit ihren Fingernägeln auf seiner Wange hinterlassen hatte. Sie hob den Blick zu seinen Augen, zu seinen dunklen, kritischen Augen. Der Ausdruck von Triumph stand deutlich darin zu erkennen, aber auch noch etwas anderes: wildes, ungezügeltes Verlangen. Nach ihr.
Sie senkte den Blick, als sie die letzten schicksalhaften Schritte tat. Konnte kaum noch atmen. Konnte nicht mehr denken. Nahm nur vage wahr, dass die Musik ausgesetzt hatte. Hörte nur noch den eigenen dröhnenden Herzschlag. Dann murmelte jemand etwas – der Wesir? –, nahm ihre mit Henna verzierte Hand
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