Wieder nur ein Spiel
schüttelte sie zornig. “Was, zum Teufel, ist bloß in dich gefahren?
Bliss soll deine Freundin gewesen sein - so ein Unsinn! Wie kannst du dich nur derart zum Narren machen!”
“Aber Bliss hat eine Standuhr, das weiß ich ganz genau!” beteuerte Emily.
“Und wir waren miteinander befreundet, auch wenn du es nicht glauben willst!“
Duarte sah sie einen Moment lang prüfend an, dann atmete er tief durch. “Hör zu, Emily, ich glaube, du solltest jetzt besser ins Bett gehen.”
Emily befreite sich zornig aus seinem Griff. “Du glaubst wohl, ich sei verrückt geworden, was? Oder vielleicht steckt ihr beide ja auch unter einer Decke! Aber weißt du was? Das ist mir inzwischen egal!”
Emily ging wutentbrannt zurück ins Haus. Durch das Fenster der Eingangshalle sah sie Bliss noch in ihrem Sportwagen wegfahren. Natürlich würde die Standuhr nun schnellstmöglich entfernt werden. Vielleicht hatte Bliss die Hinterlassenschaft ihrer Eltern sogar schon vor Monaten entsorgt, schließlich passte sie ja nicht zur restlichen ultramodernen Einrichtung in ihrer Wohnung.
Da Emily die erdrückende Stille im Haus nicht ertrug, ging sie zur anderen Seite des Gartens und setzte sich auf eine Bank. Duarte schien tatsächlich zu glauben, dass sie sich alles, was sie Bliss an den Kopf geworfen hatte, nur ausgedacht hatte. Wahrscheinlich machte er sich jetzt ernsthaft Sorgen um ihren seelischen Zustand und dachte schon darüber nach, sie zum Psychiater zu schicken!
Emily zog die Schuhe aus und ließ ihre schmerzenden Füße kreisen. Wieder einmal hatte Bliss es geschafft, ihr eins auszuwischen. Als Bliss bemerkt hatte, dass sie, Emily, vor der Verandatür stand, hatte sie sofort reagiert und diesen theatralischen Sturz inszeniert. So musste es sein, denn alles andere würde keinen Sinn ergeben. Wenn Duarte mit Bliss hätte Zärtlichkeiten austauschen wollen, hätte er das bestimmt nicht auf der hell beleuchteten Terrasse getan, wo ihn jeder sehen konnte.
Emily hatte Bliss durchschaut, doch was hatte es ihr gebracht? Wieder einmal hatte Bliss die Oberhand behalten. “Du musst mehr Selbstbewusstsein gewinnen und dich bei deiner Familie durchsetzen”, hatte Duarte Emily geraten. Doch wie sollte sie das schaffen, wenn sie noch nicht einmal ihm gewachsen war? Sie war der „Fußabtreter” der Monteiros, und Bliss wusste das und ließ Emily deutlich ihre Verachtung spüren. Vor elf Monaten hatte Duarte sie in sein Sommerhaus verbannt, und sie hatte sich nicht dagegen gewehrt. Kein Wunder, dass er sich so in seinem Glauben, sie habe ihn betrogen, bestärkt gefühlt hatte.
Und weshalb hatte Emily sich nicht gewehrt? Weil sie sich schuldig gefühlt hatte, schuldig wegen eines einzigen Kusses, den sie noch nicht einmal gewollt hatte. Sie hatte Duarte nicht betrogen, doch er hatte sie mit seinen Wutausbrüchen derart eingeschüchtert, dass sie nicht in der Lage gewesen war, das Missverständnis aufzuklären.
Je länger Emily über die ganze Situation nachdachte, umso klarer wurde ihr, dass sie ihr Leben lang immer nur sich selbst für alles verantwortlich gemacht hatte, was schief gelaufen war. Wenn ihre Eltern sie lieblos behandelt und ihre Geschwister sie schikaniert hatten, hatte Emily die Schuld bei sich gesucht. Sie hatte sich nicht liebenswert genug gefühlt und deshalb noch stärker versucht, es allen recht zu machen, in der Hoffnung, dass sic h irgendwann etwas ändern würde. Doch es hatte sich bis heute nichts getan.
Und dann hatte Emily Duarte Avila de Monteiro geheiratet, eine dominierende Persönlichkeit. Widerspruchslos hatte Emily hatte alles ertragen, was auf sie zugekommen war: Victorines offene Ablehnung, Duartes ständige Abwesenheit und schließlich einen Lebensstil, den Emily hasste. Anstatt sich jedoch zu beklagen, hatte sie sich vorgeworfen, undankbar zu sein und zu hohe Ansprüche an das Leben zu stellen.
“Weißt du eigentlich, wie lange ich dich schon suche?” Duartes ungehaltene Stimme riss sie plötzlich aus ihren Gedanken. “Was, in aller Welt, tust du mitten in der Nacht da draußen?”
“Ich sitze da und denke nach, das siehst du doch”, erwiderte Emily patzig. Sie dachte nicht daran, sich zu entschuldigen, warum auch?
“Hast du schon mal auf die Uhr gesehen? Es ist drei Uhr nachts! Komm endlich rein, damit wir schlafen können!“
“Du kannst ja schon mal vorgehen. Ich komme nach.”
Duarte atmete tief durch. “Hör zu, Emily … ich weiß, dass du dich geärgert hast, aber …
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