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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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ihnen wenigstens die immer
gleichen Biergartenbilder ersparen würde. Besonnte Bayern,
während alle anderen noch frieren.Alle Jahre wieder.
    Sie durchfahren die Holsteinische Schweiz, hügeliges
Weideland. Vom Frühling ist noch nicht viel zu sehen, die Bäume
sind kahl, das Gras blass, hier und da blühen erste Forsythien.
    Liv freut sich auf die Insel, sie besitzt ein Ferienhaus im
Nordosten, eine Reetdachkate. Seit sie kaum noch surfen geht, ist sie
selten auf Fehmarn. Nach dem Essen am Abend bleiben ihnen noch der
Ostersonntag und der Montag als Kurzurlaub.
    Â»Wie ist deine Familie denn so?« Max' Versuch,
beiläufig zu klingen, überzeugt nicht ganz.
    Liv zuckt mit den Schultern. »Befremdlich.« »Was
heißt das?«
    Â»Es befremdet mich immer wieder, zu sehen, wie wenig wir
gemeinsam haben. Ich kenne sonst niemanden, mit dem ich mir so wenig
zu sagen habe. Sie sind gehässig, ignorant und erzählen
unglaublich langweilige Geschichten aus ihrem völlig
ereignislosen Alltag. Spätestens nach drei Minuten würde
ich mich lieber für ein Minenräumkommando melden, als
weiter zuzuhören«, redet Liv sich in Rage, und als sie
bemerkt, wie boshaft und unreif sie klingt, fügt sie hinzu: »Das
einzig Beruhigende ist, dass sie über mich dasselbe denken.«
    Â»Oh.Ach so.« Max, der am Steuer sitzt,beugt sich zur
Seite und kramt eine Rolle Pfefferminzdrops aus dem Handschuhfach,
die Fahrbahn im Blick. »Das hättest du mir ruhig
vorhersagen können.«
    Â»Vorher hast du nicht gefragt.« Ohne Erfolg versucht
sie, das Unbehagen abzuschütteln, das sie bei dem Gedanken an
die Familie jedes Mal erfasst. Irgendetwas ist faul bei den Engels,
sie sind unbekömmlich wie ein dilettantisch zusammengestellter
Cocktail. Die Abneigung der Verwandten untereinander, teils
unterschwellig, teils offen gezeigt, staut sich bei jeder Gelegenheit
zu einem gewaltigen Druck auf. Die Explosion bleibt dann oft aus, was
das Aufeinandertreffen beim nächsten Mal nicht einfacher macht.
Familie als Oase der Geborgenheit? Das hat sie schon als Kind für
einen schlechten Witz gehalten. Man muss immer auf der Hut sein. Und
besser keine Schwäche zeigen.
    Â»Aber deinen Großvater, den magst du doch?«,
fragt Max in ihre Gedanken hinein und steckt sich zwei Bonbons auf
einmal in den Mund.
    Â»Sehr.«
    Â»Und deine Eltern?« »Sind die Schlimmsten.«
    Liv verstummt, erschrocken über die Ungeheuerlichkeit dieser
Aussage, und hofft inständig, dass Max nicht näher darauf
eingeht. Er wirkt bestürzt, dabei neugierig – wer wäre
das nicht? –, lässt das Thema aber fallen und fragt nach
ihrer Arbeit. Als ihre Antworten einsilbig bleiben, schiebt er ein
Album von Tom Waits in den CD-Player und hält den Mund, ohne
dabei beleidigt zu wirken.Angenehm, wie er ist.
    Ein weißer Strand im Süden der Ostseeinsel. Sie sind
viel zu früh, Zeit für einen Spaziergang am Sund, im
Hintergrund die Brücke, die Fehmarn mit dem Festland verbindet,
von den Einheimischen als Kleiderbügel verspottet. Es ist kalt,
zehn Grad höchstens, aber sonnig, ein strammer Wind aus Nordost
hat die Wolken vertrieben. Meeresblau mit Schaumkronen. Sie
schlendern Hand in Hand und genießen die Aussicht. Liv denkt
wieder an die Mütze, die Max draußen besser tragen sollte.
Er erkältet sich leicht.
    Â»Erzählst du mir von deinem Großvater?«
    Liv überlegt. Was gibt es über Tönges Engel zu
sagen? »Er ist ein Macho, schätze ich, und ein typischer
Eigenbrötler. Hat sich nie viel aus der Familie gemacht. Nach
dem Krieg wurde er Sprengmeister, entschärfte zunächst
Blindgänger, gründete 1965 unsere Firma und spezialisierte
sich auf Bauwerkssprengungen. Das war genau sein Ding. Ich habe lange
geglaubt, er würde sich nie zur Ruhe setzen. In letzter Zeit hat
er sich ziemlich zurückgezogen.«
    Â»Das muss hart sein«, sagt Max und lässt ihre
Hand los, um einen Stein aufzuheben und mit weitem Schwung ins Meer
zu schleudern.
    Â»Was?«
    Sie betrachten beide die kniehohen Wellen, wie sie brechen und zum
flachen Strand gleichmäßig auslaufen.
    Â»Zum alten Eisen zu gehören. Die Welt dreht sich
weiter, und man verpasst den Anschluss. Bleibt also nur der Rückzug
ins Private. Und wenn man sich dafür nie wirklich interessiert
hat, ist es sicher hart.«
    Max hört sich an wie jemand, der

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