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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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mal der Lauf der Zeit. Kismet. Es sollte bloß
nicht passieren, dass Menschen jung sterben, viel zu jung.«
    Sie stapft ins Haus. Kocht Kaffee. Sucht im Küchenschrank
nach Gebäck und findet nur noch eine letzte Packung, sie war
lange nicht im Supermarkt. Die Kekse bleiben zu. Sie sind nicht für
Bjarney bestimmt.
    Die gibt unterdessen keine Ruhe, hat sich richtig in Fahrt
gequasselt. »Stell dir vor, es gibt Dimensionen im Universum,
in denen läuft die Zeit genau anders herum. Man wird erwachsen
geboren und stirbt als Säugling.Alles Wissen und alle Erfahrung
gehen Stück für Stück verloren, das ist auch kein
leichtes Los, und ...«
    Â»Hör endlich auf mit dem Geschwafel. Sag mir lieber,
was aus meinem Enkel wurde. Er ist in Deutschland, seit zwei Wochen
höre ich kein Wort, und ich weiß, dass du weißt, was
mit ihm geschehen ist.Also, sag es mir bitte.« Ihr Puls rast,
doch es gelingt ihr einzuschenken, ohne zu zittern. Der Geruch des
Kaffees bereitet ihr Ãœbelkeit. Sie holt die Branntweinflasche
aus dem Gefrierfach.
    Bjarneys Blick ruht auf ihr, für einen Moment von Traurigkeit
überschattet. »Ach Fritzi, was erwartest du von mir?«
    Â»Ich erwarte eine Antwort.«
    Â»Die wirst du bekommen.Aber nicht von mir. Du überschätzt
meine Kraft.«
    Langes Schweigen. Fritzi hält die eisige Flasche mit beiden
Händen, äußerlich ruhig, innerlich erzürnt über
Bjarneys Geschick,sich mit mehrdeutigen Aussagen aus der Affäre
zu ziehen. Ist die Freundin tatsächlich ahnungslos? Oder will
sie bloß nicht über den Enkel reden? Sinnlos, sich
deswegen zu streiten, so ist sie eben.
    Â»Ist wirklich alles Schicksal? Oder können wir
wählen?«, fragt Fritzi.
    Â»Natürlich.Es ist unser Schicksal, unser Schicksal zu
wählen«, antwortet Bjarney.
    Zum Kaffeetrinken setzen sie sich auf die Bank neben der Haustür.
Endlich Stille, bis auf das Singen der Vögel. Vom Meer kein
Laut. Bjarney ergreift Fritzis Hand und hält sie fest. »Was
tust du da?«
    Â»Ich schenke dir Liebe und Frieden. Es ist viel wert, einen
Freund zu haben, der uns, wenn die Stürme des Daseins toben und
es kein Entrinnen gibt, Liebe und Frieden schenkt.«
    Fritzi will ihre Hand wegziehen, aber sie merkt, wie ihr plötzlich
besser zuwege ist und ihr aufgewühltes Herz langsamer schlägt.
Frieden ist es nicht gerade, was sie empfindet, das wäre zu hoch
gegriffen, eher Leere. Ihr Inneres als Vakuum.
    Als das fuchsfarbene Pferd sich neben sie stellt und sie unsanft
gegen die Schulter stupst, machtBjarney sich auf den Heimweg. Fritzi
sieht ihr nach. Obgleich sie mit dem Brennivín im Kaffee
sparsam umgegangen ist, könnte sie schwören, dass die Welt
sich ausnahmsweise rückwärts dreht und die Freundin mit
jedem Blinzeln jünger wird.
    Fritzi reibt sich die Augen. Im Knopfloch ihrer Strickjacke steckt
gelb leuchtend und unversehrt eine Butterblume.
    Das Telefon klingelt. Liv, alles andere als ausgeschlafen, hebt ab
und lauscht kommentarlos der Stimme ihrer Großmutter, die höher
und schneller spricht als gewöhnlich, sodass es mühsam ist,
ihr zu folgen. Es geht um Tönges und die Scheidung, soviel wird
klar, er hat irgendwelche Termine nicht eingehalten.Als Henny die
Polizei erwähnt, unterbricht Liv ihren Redefluss und verspricht,
umgehend vorbeizukommen.
    Wenig später sitzen sie im Wintergarten der Großeltern
und trinken Tee. Die alte Dame ist wesentlich ruhiger als zuvor am
Telefon, ganz Hausherrin, sie serviert Gebäck, wenngleich mit
fahrigen Bewegungen, und erkundigt sich nach LivsBefinden.
    Liv geht nicht darauf ein. »Oma, was ist hier eigentlich
los?«
    Henny hat gerade die Tasse angesetzt. Die Frage, zu diesem frühen
Zeitpunkt der Unterhaltung, bringt sie offenbar aus dem Konzept, sie
verschüttet Tee auf ihre helle Bluse. Nur ein Tropfen, aber sie
will sich daraufhin unbedingt umziehen und den Fleck auswaschen. Bloß
keine Hilfe, Liv soll einfach nur warten.
    Sie zwingt sich, sitzenzubleiben und inden gepflegten Garten zu
schauen. Regenschleier auf den Büschen und Stauden, der Rasen
englisch, kein Moos, keine Butterblümchen, dasfrisch getrimmte
Gras glänzt in einem intensiven Grün. Liv trinkt einen
Schluck, denkt an ihr Wohnzimmer und seufzt.
    Â»Es tut mir leid, Liebes. Erst bringe ich dich dazu, in
Windeseile hierherzukommen, dann lasse ich dich allein mit deinem
Tee.Ich bin

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