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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Mist?«
    Bjarney nickt. »Bitte verzeih. Es schoss mir in den Sinn,
als ich dich eben am Boden liegen sah. Ich dachte schon ...«
Sie lässt den Satz offen. Ihre Blicke, erschrocken und
tränenschwer, sind eine Qual, auf die Art möchte keine Frau
jemals von ihrer besten Freundin angeschaut werden.
    Es folgt eine Entschuldigung: »Dein Nachbar hat mich
angerufen.«
    Â»Ach der. Der soll sich raushalten. Dem werd ich was.«
    Â»Na, du bist mir eine, hübsch bedanken wirst du dich
bei ihm, wenn du wieder auf dem Posten bist. Jetzt trink erst
einmal.« Der Versuch, die Stimmung ins Muntere zu kippen,
misslingt. Die Nerven liegen blank.
    Â»Trink.« Bjarney stützt mit einer Hand den
Hinterkopf der Freundin, mit der anderen hält sie ihr ein Gefäß
an die Lippen. Zinkblech. Erschrocken reißt Fritzi den Mund
auf, stößt einen Schrei aus, der stumm ist, von der
Freundin jedoch trotzdem gehört wird. Die Milchkanne.
    Â»Ganz ruhig, Fritzi.«
    Sie will Bjarney am Handgelenk packen, doch dazu fehlt die Kraft.
»Woher hast du die?«
    Â»Das ist Milch, die stand vor der Haustür. Zwei Kannen.
Der Nachbar hat deine Kühe gemolken.«
    Â»Nein, da stand nichts.«
    Â»Doch, bestimmt.«
    Â»Du lügst.«
    Â»So ein Unsinn. Jetzt trink gefälligst.«
    Â»Nein.« Dieselbe Milch, die sie kurz zuvor noch so
sehnlich begehrt hat, hat sich in Gift verwandelt, von dieser
Ãœberzeugung ist Fritzi durch nichts abzubringen.
    Bjarney nutzt die Schwäche der Freundin aus, um ihr wie eine
Krankenschwester wenigstens einige Schlucke einzuflößen,
wobei allerdings das meiste danebengeht. Die flinken Hände der
Isländerin sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.
    Man schämt sich voreinander. Doch wozu es aussprechen?
Stattdessen jammert und stöhnt Fritzi ohne Unterlass. »Pass
auf, du kleckerst mich voll.«
    Â»Wann hast du dich zuletzt im Spiegel angesehen, Fritzi? Die
Milch kann es auch nicht mehr schlimmer machen, du bist bekleckert
von oben bis unten mit allem möglichen Zeugs, ich will es gar
nicht genau wissen. Und du stinkst, meine Liebe. Mit Verlaub, du
stinkst nach deiner eigenen Pisse.«
    Â»Ich bin nicht deine Liebe, meine Liebe. Heute nicht. Pfui,
mir wird schlecht. Ich sag es dir ja, die Milch ist vergiftet.«
    Â»Dir wird schlecht von der Wahrheit.«
    Â»Der Braune hat meine gute Milch getrunken und mir seine
verdorbene dagelassen: Das ist Geistermilch. Hast du ihn nicht
gesehen, den Móri? Du musst ihn gesehen haben.« Fritzis
Wehklagen ist selbst für ihre eigenen Ohren schwer erträglich,
aber irgendetwas hindert sie, damit aufzuhören. Ja, sie weiß
schon, sie lässt sich gehen.
    Â»Nein, ich habe den Braunen nicht gesehen. Er ist nicht
hier. So ein Quatsch, den du redest. Du bist krank, Fritzi. Ich
glaube, du hast Fieber, du brauchst einen Arzt.«
    Â»Nein.« Fritzi heult auf. Ein Weinkrampf bricht aus
ihr hervor und macht alles noch schlimmer.
    Â»Du dämliche Alte.« Es dauert nicht lange, und
auch Bjarneys Tränen kullern. Vereintes Schluchzen.
    Schließlich steht Bjarney auf und geht hinüber zum
Telefon. »So, das reicht. Ich rufe einen Krankenwagen.«
    Â»Nein, nein, bitte tu das nicht. Die stecken mich ins Heim.
Ich tue alles, was du willst, siehst du, ich trinke sogar die
Geistermilch.« Zum Beweis greift Fritzi eigenständig nach
der Kanne.
    Â»Das nützt doch nichts auf Dauer. Jetzt ist die Zeit
gekommen, vernünftig zu sein. Du hast ja schon Halluzinationen.«
Sie nimmt den Hörer in die Hand.
    Das sagt die Richtige. Fritzi zieht die Nase hoch, es klingt wie
eine Drohung und ist tatsächlich als solche zu verstehen.
»Hörzu, Bjarney, wenn du jetzt den Notruf wählst,
verfluche ich dich und deine gesamte Sippe, das schwöre ich.«
    Bjarney erstarrt. »Ein Fluch? Du willst einen Fluch
aussprechen?«
    Â»Jaja, einen Fluch.«
    Das Wort wabert durch den Raum, in gleichem Maße lächerlich
wie beängstigend, und Fritzi unterdrückt den Impuls, es
wieder einzufangen. Bjarney legt den Hörer auf die Gabel zurück
und bleibt neben dem Telefon stehen, den Mund halb geöffnet, als
wolle sie der Freundin genau dazu Gelegenheit geben.
    Â»Ist das wirklich dein Ernst?«
    Â»Mein voller Ernst. Ich bin eine freie Bäuerin,
Isländerin, das hier ist mein Land, davon lasse ich mich nicht
vertreiben, und wenn ich jemanden verfluchen

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