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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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langweilig. Sie muss
aufhören, alles zu hinterfragen. Das bringt sie jetzt auch nicht
weiter.
    Je länger sie unterwegs sind, desto raumgreifender wird das
Schweigen. Es ist ihre erste gemeinsame Autofahrt. Eigentlich eine
gute Gelegenheit, sich kennenzulernen. Man sollte etwas reden.
    Liv räuspert sich. »Ist es hier sonst schön?«
    Â»Wo? Hier auf der Strecke?«
    Â»Ja, heute sieht man ja fast nichts.«
    Rúnar, scheinbar ganz auf seine Aufgaben als Fahrer
konzentriert, ignoriert die Frage. »Vielleicht hätten wir
doch frühstücken sollen«, sagt er stattdessen.
    In diesem Augenblick ist Liv ziemlich sicher, dass der Tag nur
misslingen kann.
    Ein Kaffee wäre fällig. Sie spricht es aus,und bei
nächster Gelegenheit besorgt er welchen.
    Â»Sollen wir frische Luft schnappen? Vielleicht werden wir
dann richtig wach.« »Meinetwegen.«
    Also steigt sie aus und gesellt sich zu ihm in die Kälte.
Nicht lange und die Luft schnappt zurück. Mit dampfenden
Plastikbechern stehen sie nebeneinander ans Auto gelehnt und schauen
geradeaus. Ein Rastplatz im Nirgendwo. Gefrierender Nebel. Steter
Wind. Sicht unter fünfzig Metern. Motorenlärm. Wenn auf der
nahen Schnellstraße Lastwagen vorbeifahren, vibriert der Boden
unter ihren Füßen.
    Â»Eigentlich müsstest du die Landschaft hier mögen«,
greift Rúnar den dünnen Gesprächsfaden auf.
    Â»Meinst du? Wieso?«
    Â»Es ist ein vulkanisches Gebiet mit weiten Lavafeldern,
ähnlich wie am Flughafen Keflavík, allerdings noch
gebirgiger. Sie heißen die blauen Berge.«
    Liv erinnert sich noch gut an ihr Unbehagen beim ersten Blick auf
die Szenerie gleich nach der Ankunft. »Wieso glaubst du, ich
würde das mögen?«
    Â»Na ja, es sind im Grunde Trümmerfelder. Dein Metier.«
    Sie überlegt, wie viel Sprengstoff es bräuchte, einen
Vulkanausbruch künstlich zu erzeugen.
    Â»Deprimiert es dich nicht, mit deiner Arbeit etwas zu
zerstören, wofür andere hart gearbeitet haben?«
    Â»Nein. Ich bin kein nostalgischer Mensch. Die Gebäude,
die zur Sprengung freigegeben werden, haben ausgedient und stehen nur
noch im Weg rum. Dann kommen wir und schaffen Platz für Neues.«
    Â»Und wenn nichts Neues entsteht?«
    Â»Dann ist eine grüne Wiese immer noch besser als eine
Industriebrache. Ist meine Meinung.«
    Er antwortet nicht. Liv trinkt ihren Kaffee.Er ist nicht einmal
mehr lauwarm. Sie hat selten erlebt,dass ein brühend heißes
Getränk so schnell erkaltet ist.
    Â»Hast du ein Problem mit meinem Beruf?«, fragt sie,
durch seine Bemerkungen verunsichert.
    Er schüttelt den Kopf. Ȇberhaupt nicht. Eher mit
meinem eigenen. Ich hätte direkt Lust zu tauschen. Daher die
Fragerei, ich dachte, sobald ich einen Haken an der Sprengmeisterei
finde, bin ich nicht mehr ganz so neidisch.«
    Â»Ach ja? Und ich dachte, als Organist hättest du das
große Los gezogen. Wo drückt es denn?«
    Â»Beim Arbeitgeber. Ich repräsentiere die Kirche. Und
ich glaube nicht an Gott.«
    Liv betrachtet Rúnar von der Seite, um zu ergründen,
ob er sie zum Narren hält. Er wirkt ziemlich ernst.
    Â»Das ist natürlich bitter. Hast du nie an ihn geglaubt,
oder ist dir dein Glaube unterwegs abhandengekommen?«
    Â»Letzteres.Bis vor kurzem war mit mir und Gott noch alles in
bester Ordnung.«
    Â»Und was ist dann passiert?«
    Â»Das willst du nicht wirklich wissen. Und ich will nicht
darüber reden.«
    Da irrt er sich gewaltig. Sie glüht vor Neugier, aber
bedrängen mag sie ihn nicht.
    Â»Wenigstens bist du als Protestant nicht vom Fegefeuer
bedroht«, sagt sie leichthin.
    Â»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Er grinst sie
an. »Komm, Liv, wir zwei Sünder müssen jetzt mal ein
gutes Stück vorankommen in Richtung Hölle.«
    Sie steigen ein, und die Fahrt geht weiter. Nach wenigen Minuten
riecht es im Auto passenderweise wie in ihrer Dusche im Hotel,
nämlich nach Schwefel, giftig, und als sie Rúnar darauf
hinweist, zeigt er auf eine Stelle im Grau, wo der Nebel sich zu
einem weißen Qualm verdichtet.
    Â»Heiße Quellen.«
    Â»Höllenfeuer.«
    Sie tauschen verschwörerische Blicke aus, genau jetzt wäre
es möglich, ihrer beider Laune durch weitere Albernheiten
aufzuhellen. Doch sie lassen den Augenblick verstreichen und baden
weiter in der Melancholie des Tages. Sie steht ihnen beiden gut

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