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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Finger steuern,
wenn sie sich nur ein wenig mehr darauf zu konzentrieren wüsste.
    Â»Spürst du das? «, flüstert sie.
    Â»Was?«
    In weiser Voraussicht verzichtet sie auf die Antwort. Bloß
keine Liebesschwüre. Sie muss sich jetzt zusammenreißen,
will sie nicht das alte Spiel mit vertauschten Rollen spielen.
    Stattdessen holt sie ihr Handy aus der Jackentasche. »Ich
muss unbedingt eine SMS an meinen Sohn schreiben. Er soll wissen,
dass es schneit.«
    Rúnar wirkt irgendwie erleichtert.
    Sie plaudern, bis die Canapés gebracht werden und kurz
darauf auch die Lasagne. Beides schmeckt ihr, der Lachs ganz
besonders. Soweit Liv sich entsinnen kann, war der Wein am Abend auch
recht ordentlich.
    Â»Angenehmer Laden«, sagt sie, und Rúnar stimmt
ihr zu.Ansonsten verläuft das Essen schweigend.
    Danach geht er noch einmal auf ihr Treffen mit dem Mann vom
Ordnungsamt ein. »Was genau hat der Beamte denn gesagt?«
    Â»Dass er mir mit den Daten aus seinem Computer ohne
Sozialversicherungsnummer nicht weiterhelfen kann. Und dass Inga
Engel möglicherweise ihren kompletten Namen beziehungsweise ihre
Identität geändert hat, weil uns auch das Geburtsdatum
nichts genützt hat.«
    Er überlegt. »Das könnte natürlich
sein.Soweit ich weiß, sind die Angaben der deutschen
Einwanderinnen bei der Visavergabe nicht allzu genau überprüft
worden. Das wäre ja auch gar nicht möglich gewesen.
Schließlich war es relativ kurz nach dem Krieg, manche waren
als Flüchtlinge aus dem Osten gekommen und hatten überhaupt
keine Papiere mehr.«
    Liv ist überrascht: »Du scheinst dich ja ziemlich gut
mit dem Thema auszukennen.«
    Â»Geht so. Ich spiele als Organist nicht nur in der
Hallgrimskirche, sondern reise auch viel im Land herum. Besonders
anfangs in meinen Lehrjahren als Assistent des alten Kantors, bevor
ich zu studieren begann. Viele der Frauen aus Deutschland sind oder
waren in den Kirchenchören aktiv. Es gibt unglaublich viele
Chöre auf dem Land. Die Neuankömmlinge waren von Anfang an
sehr gefragt, viele hatten in der Heimat eine gute musikalische
Ausbildung genossen.«
    Â»Du kennst also manche dieser Frauen persönlich?«
    Rúnar nickt. »Einige. Deswegen habe ich dir ja meine
Hilfe angeboten.«
    Â»Stimmt es, dass viele nicht über ihre Vergangenheit
reden wollen?« »Leider ja.«
    Sie entwerfen eine Strategie für die nächsten Stunden
und Tage. Rúnar verspricht, diverse Telefonate zu führen.
Er sagt, er kenne jemanden beim Flughafen mit guten Kontakten zu
Icelandair und anderen Gesellschaften, möglicherweise, so seine
Hoffnung, könnte da jemand für ihn nachschauen, ob sich
unlängst ein Passagier namens Tönges Engel an Bord eines
Fliegers nach Keflavík befunden hat. Ferner will er bei
einigen befreundeten Diakonen in abgelegenen Kirchengemeinden
vorsprechen, um die Suche nach Inga voranzutreiben.
    Â»Was ist mit diesen deutschen Chorsängerinnen? Rufst du
die auch an?«
    Â»Mal sehen. Eigentlich wäre es besser vorbeizufahren.
Manche wohnen nicht weit von hier im Süden.« »Nimmst
du mich dann mit?« »Na, was denkst du denn?«
    Er küsst sie.Flüchtig. Wenig später auf der Straße
noch einmal ausgiebig. Es schneit jetzt heftig, allerdings schmelzen
die Flocken auf dem Gehsteig, nichts bleibt liegen. Die Stadt ist
trotz des Wetterumschwungs brechend voll, lauter junge Leute mit
prall gefüllten Einkaufstüten, Handys am Ohr. Vor einem
Schuhgeschäft steht eine aufwändig geschminkte Frau mit
Puppengesicht und Hochsteckfrisur auf einer Trittleiter und putzt das
Fenster, dabei trägt sie Pumps mit sehr hohen Absätzen,
eine lila Strumpfhose, einen karierten Minifaltenrock und ein kurzes
Webpelzjäckchen in Schwarz. Um sie herum wildes Schneegestöber.
Liv weiß sofort, es ist dieses Bild, welches ihr fortan sofort
in den Sinn kommen wird, wenn sie an Reykjavík denkt.
    Â»Der Mond gleitet, der Tod reitet.« Ihre Wangen
brennen von Schlägen. »Fritzi, wach auf.« Sie
blinzelt. »Aufwachen.« Wieder eine Backpfeife.
    Sie öffnet die Augen ganz und wartet, dass ihr Blick
aufklart. Dicht vor ihrem Gesicht schwebt das von Bjarney, nackte
Angst, wo sonst Zuversicht erstrahlt.
    Â»Gott sei Dank. Du lebst«, sagt die Freundin.
    Â»Der Mond gleitet, der Tod reitet«, echot Fritzi.
»Warst du das eben? Was soll so'n

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