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Wiedersehen in Barsaloi

Wiedersehen in Barsaloi

Titel: Wiedersehen in Barsaloi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
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und nach zutraulicher und führen ihm Kunststücke vor, indem sie die kleinen Zicklein einfangen und auf dem Arm herumtragen. Sogar die dreijährige Saruni springt hinter einem Geißlein her, packt es am hinteren Lauf, schlingt gekonnt ihre kleinen Ärmchen um alle vier Beine, stemmt anschließend das Tierchen in die Höhe und schaut Klaus triumphierend an. Er weiß bald nicht mehr, wo er zuerst filmen soll. Als er den Kindern dann noch auf seinem kleinen Monitor die Filmaufnahmen zeigt und sie sich zum ersten Mal so sehen, sind sie ganz aus dem Häuschen. Innerhalb kürzester Zeit ist er umlagert von Groß und Klein und jeder möchte einen Blick auf den kleinen Bildschirm der Kamera werfen. Die Neugier ist stärker als die Scheu und das Eis ist gebrochen.
    Während ich dem lustigen Treiben zuschaue, kommt plötzlich Lketingas jüngere Schwester auf mich zu. Sie begrüßt mich überschwänglich. Sie war mit einem Teil der Ziegen unterwegs und ist erst jetzt zurückgekommen. Natürlich fragt sie nach Napirai und auch ihr muss ich alles über mein Kind erzählen. Ich mochte sie immer sehr gerne. Sie wurde als junges Mädchen mit einem sehr alten Mann verheiratet. Als sie ihr erstes Kind bekam, starb er. Seitdem lebt sie allein und bekam noch einige Kinder, ohne jedoch jemals wieder heiraten zu dürfen. Sie war immer sehr lustig und scheint es auch heute noch zu sein. Immer wieder umarmt sie mich und reibt ihren Kopf an meinem Hals.
    Lketinga kommt herbei und unterbricht die Gefühlsausbrüche seiner Schwester, indem er meinen Arm packt, mich hinter sich herzieht und in ernstem Ton sagt: »Schau, welche Ziege ich für dich schlachten werde!« Papa Saguna und James gehen bereits diskutierend durch die große Herde und schieben da und dort eine Ziege zur Seite. Lketinga mischt sich ins Gespräch ein und wir drei Weißen fühlen uns angesichts des baldigen Todesurteils etwas hilflos. Schon ist die Entscheidung gefallen. Es soll der größte Ziegenbock sein.
    Lketinga packt das Tier an den Hörnern und zieht es aus der Herde. Zuerst läuft es ruhig mit, doch plötzlich blökt es lauthals los. Das Schreien geht einem durch Mark und Bein. Während die anderen Ziegen wiederkäuend dastehen, versucht sich der Bock zu befreien, als ob er ahnen würde, dass sein letztes Stündchen geschlagen hat. Albert verlässt den Kral und möchte erst wiederkommen, wenn alles vorbei ist.
    Lketinga packt im Vorbeigehen mit seiner freien Hand erneut meinen Arm und sagt: »Komm mit und schau zu, es ist deine Ziege!« Ich weiß, dass es eine Ehre ist, als Frau dabei sein zu dürfen, und lasse mir nichts anmerken, während ich das Tötungsritual verfolge. Papa Saguna packt mit einem gekonnten Griff das Tier an allen vier Beinen und wirft es seitwärts auf den Boden. Sofort presst Lketinga dem Ziegenbock Nase und Maul zu, um ihn zu ersticken. Das Tier zuckt und ruckt und schluckt und möchte sich befreien. Der Bauch hebt und senkt sich und ich habe das Gefühl, es dauert eine Ewigkeit. Gott sei Dank ist es bereits dunkel und nur der Mond erhellt das Geschehen. Es ist Samburu-Sitte, dass kein Blut fließen darf, bevor ein Tier tot ist.
    Während dieses Ersticken lautlos vor sich geht, läuft das Leben rund herum normal weiter. Einige Kinder jagen weiterhin kleine Zicklein, während andere das Ereignis gelassen beobachten. Endlich zuckt die Ziege zum letzten Mal und Papa Saguna bittet Shankayon, ein scharfes Messer und eine Schale zu holen. Er schärft das Messer an einem Stein und öffnet anschließend mit einem gekonnten Schnitt die Halsschlagader. Sofort fließt das Blut und die dafür unterlegte Schale füllt sich langsam mit der warmen Flüssigkeit, während der Kopf der Ziege weit nach hinten gekippt gehalten wird. Die gelben Augen des Tieres sind starr zum Himmel gerichtet.
    Neckisch fragt Lketinga, ob ich Blut trinken wolle. Als ich dankend ablehne, bietet er es auch Klaus an, der allerdings bereits von dem, was er bisher gesehen hat, genug hat. James trägt die Schale weg und im dunklen Hintergrund erkenne ich undeutlich zwei Krieger, die ihm folgen. Verwundert frage ich Lketinga, warum er das Blut nicht trinke. »Weil ich kein Krieger mehr bin«, ist die spontane Antwort. Jetzt hievt er das tote Tier auf ein Wellblech und sein älterer Bruder trennt das Fell an der Innenseite der Bauchdecke von der Brust bis zu den Geschlechtsteilen mit einem Schnitt auf. Anschließend schneidet er die vier Beine der Länge nach auf. Die kleinen Mädchen

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