Wiedersehen in Barsaloi
schmeckt es ausgesprochen gut, während Albert und Klaus nur so viel verzehren, wie es die Höflichkeit erfordert.
Nach dem reichhaltigen Ziegenschmaus machen wir uns langsam auf den Weg zu unseren Schlafplätzen. Von den vielen Eindrücken und der langen Reise sind wir müde und erschöpft. Lketinga begleitet uns bis zur Mission, wo wir uns für morgen zum Tee verabreden.
Albert, Klaus und ich setzen uns noch einen Augenblick auf unsere Campingstühle, um das Erlebte Revue passieren zu lassen. Die Fahrer machen auf den gefüllten Kühlschrank im Wagen aufmerksam und so ist es schnell beschlossene Sache, einen Gin Tonic zum Abschluss des Tages zu trinken. Wir sind nur wenige Schritte vom Dorf entfernt und dennoch kommt es mir vor, als sei ich soeben wieder in eine andere Welt eingetaucht. Ich sitze bequem auf einem Campingstuhl, halte einen gekühlten Drink in der Hand, sehe in zwei weiße Gesichter und spreche deutsch. Für einen Moment kommt mir alles unwirklich vor. Aus solch einer Perspektive habe ich Barsaloi noch nie erlebt!
Klaus reißt mich aus meinen Gedanken, indem er zu erzählen beginnt, wie seine Begegnung mit Lketinga verlaufen ist, bevor wir ins Dorf gekommen sind. Als er aus dem Wagen stieg, erkannte er in einiger Entfernung unter einer Akazie Lketinga. James stand bei ihm, wechselte ein paar Worte mit ihm und verschwand dann in seinem Haus. Klaus kam sich etwas verloren vor und wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Mutig schulterte er seine Kamera und ging auf Lketinga zu. Als er versuchte, sich vorzustellen, musterte ihn Lketinga kurz mit regungslosem Gesichtsausdruck, um gleich darauf, ohne ein Wort zu sagen, weiterhin stur die Straße in Richtung Fluss hinunterzuschauen. Klaus kam sich vor wie bestellt und nicht abgeholt. Nach einer Weile, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, hörte er in vorwurfsvollem Ton: »You are late!« Erleichtert, vielleicht endlich in ein Gespräch kommen zu können, begann er eifrig, unsere Verspätung zu erklären, wurde jedoch ungnädig unterbrochen: »I know everything.« Dabei traf ihn ein vernichtender Blick. Jetzt wurde es ihm wirklich unheimlich und er dachte sich: Oh Gott, was ist, wenn Corinne hier aussteigt? Wie können wir das hier mehrere Tage aushalten, wenn er jetzt schon so reagiert? Nach weiteren langen Minuten hörte er in einem milderen Ton die Frage: »Do you have a cigarette?«
»Ihr glaubt gar nicht, wie befreiend diese Frage in der Situation war. Ich war so froh, ihm etwas Gutes tun zu können. Nachdem er sich die Zigarette angesteckt hatte, sagte er: ›Let’s go in the shadow.‹ Da standen wir dann stumm nebeneinander im Schatten der Akazie. Ich kann euch versichern, dass ich schon lange nicht mehr so sehnsüchtig auf jemanden gewartet habe wie heute auf euch!«, beendet Klaus seine Erzählung, die uns vor Lachen Tränen in die Augen treibt. Die beschriebene Haltung meines Ex-Mannes und seinen misstrauischen starren Blick kann ich mir lebhaft vorstellen, so dass mir Klaus noch im Nachhinein Leid tut.
Abgesehen von dieser Episode sind wir uns alle einig, dass der heutige Empfang und auch das Verhalten von Lketinga unsere positivsten Erwartungen übertroffen haben. Ich bin glücklich und nehme einen letzten Schluck. Die Herren klettern auf die Autos und verschwinden in ihren Zelten. Ich krieche in mein Igluzelt und richte mich mit dem Schlafsack gemütlich ein. Draußen sitzen die Fahrer und unterhalten sich noch leise. Im Dorf blöken vereinzelt Ziegen und dazwischen bellt kurz ein Hund. Die Menschenstimmen hören sich auf die Distanz wie ein Gemurmel an. Allzu gerne würde ich wissen, was Mama, Lketinga und alle anderen über uns denken und wie sie unseren ersten gemeinsamen Tag erlebt haben. Ich für meinen Teil bin sehr froh über die bis jetzt gelungene Rückkehr und spüre eine wohlige innere Wärme. Ob sie es auch so empfinden?
In Mamas Manyatta
Am nächsten Morgen bin ich schon zeitig wach. Etwas gerädert krieche ich aus dem Zelt und beobachte, wie der rote Sonnenball langsam hinter den Bergen auftaucht. In unserem Camp ist noch alles ruhig. Ich »wasche« mich mit Erfrischungstüchern und genieße den Sonnenaufgang. Bald erwachen auch meine Begleiter. Wir trinken gerade unseren Frühstückstee, als bereits Lketinga bei uns erscheint. Im Gegensatz zu gestern trägt er heute europäische Kleidung, eine lange Hose, ein T-Shirt und normale Halbschuhe. Er begrüßt jeden mit Handschlag, erkundigt sich, wie wir geschlafen
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