Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedersehen in Barsaloi

Wiedersehen in Barsaloi

Titel: Wiedersehen in Barsaloi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinne Hofmann
Vom Netzwerk:
haben, und steuert dann in Richtung meines Zeltes. Wie selbstverständlich öffnet er den Reißverschluss und kontrolliert mit einem Blick, wie es in meinem Zelt nach dieser Nacht aussieht. Früher, als seine Ehefrau, wäre ich verärgert gewesen, doch jetzt kann ich mir vor Staunen kaum das Lachen verkneifen.
    Nachdem er sich zu uns gesetzt hat, besprechen wir, wie der heutige Tag gestaltet werden könnte. Er teilt uns mit, dass James mit dem Motorrad zur Schule fahren muss, weil heute eine Kontrollkommission aus Nairobi erscheinen wird. Sein älterer Bruder sei noch hier, möchte aber bald nach Hause marschieren, bevor die Hitze zu groß wird. Bevor er aufbricht, möchte ich ihm natürlich noch seine Geschenke überreichen. Am Vormittag könnten wir dann zum Fluss hinuntergehen und anschließend das Dorf besichtigen.
    Lketinga ist einverstanden und so brechen wir langsam auf und schlendern zu Mamas Manyatta, vor der im Schatten Papa Saguna sitzt. Freundlich begrüßt er uns und erklärt in Maa, dass er sich auf den Heimweg begeben möchte, damit er morgen Saguna hierher schicken kann. Schnell laufe ich in James’ Haus, wo sich die Tasche mit den Geschenken befindet, und hole eine karierte Samburu-Decke und ein flauschiges orangenes Flanellhemd hervor. Als ich diese schlichten Gaben dem staunenden Papa Saguna überreiche, scheint er sich wirklich und von Herzen zu freuen. Er bedankt sich mit den Worten: »Ke subat, ke supati pi, schön, wirklich sehr schön.« Wir werden ihn sicher noch einmal sehen, bevor wir weiterreisen, da uns zu Ehren ein Fest geplant ist. Genaueres können wir dann seiner Tochter Saguna mitteilen. Nach einem kurzen Abschied verlässt er mit seinem grünen Hut auf dem Kopf und der neuen Decke um die Hüften mit leichtem Schritt den Kral.
    Wie in früheren Zeiten bitte ich nun bei Mama mit dem Wort »Godie?« um Einlass in die Manyatta. Erhalte ich als Antwort ein »Karibu«, darf ich eintreten. Mama heißt mich willkommen und so trete ich nach mehr als vierzehn Jahren in gebückter Haltung wieder in eine Manyatta. Ich balanciere an der Feuerstelle vorbei, um dahinter auf dem Kuhfell Platz nehmen zu können. Vor Aufregung passe ich nicht auf und schon habe ich mir am Oberarm eine kleine blutende Schürfwunde zugezogen, da ich an einem der zahlreichen aus der Wand stehenden Weidenäste hängen geblieben bin.
    Mama hat für alle Chai auf der Feuerstelle zubereitet. Im Arm hält sie James’ kleines Baby und schaukelt es liebevoll, während sie ihm etwas vorsingt. Von dem Kind sehe ich nur die kleinen nackten Beinchen, die unter einem Kleid hervorschauen. Der Kopf ist mit einer großen Mütze bedeckt, so dass man das Gesichtchen nicht sehen kann. Ich erinnere mich an die Tradition, dass man die Neugeborenen die ersten paar Wochen niemandem außer den engsten Familienmitgliedern zeigt. Da die Samburu an eine Art Zauber glauben, fürchten sie, dass dem Neugeborenen etwas Schlechtes angewünscht werden und ihm ein Unglück oder gar der Tod drohen könnte. Als ich mit unserer Tochter Napirai endlich aus dem Spital nach Hause kam und jedem voller Stolz mein süßes Mädchen zeigen wollte, wurde ich von Mama angehalten, das Kind im Haus zu lassen oder, wenn ich mich mit ihr draußen aufhalten wollte, das Gesicht mit einem Tuch abzudecken. Mir brach das jedes Mal fast das Herz.
    Mama lässt das Baby von einem der jungen Mädchen im Kral zu seiner Mutter bringen. Trotz des leichten Rauches fühle ich mich sofort wohl in der Manyatta und nehme den Chai gerne entgegen. Lketinga lässt sich neben mir nieder, während sich Klaus und Albert nach der Begrüßung außen neben den Eingang setzen. Mama sitzt uns gegenüber auf ihrem Kuhfell. Diese Ecke ist ihr persönlicher Bereich und darf außer von ihr nur von ganz kleinen Kindern betreten werden. Hinter ihr ist ein Teil der Wand mit einem Stück Wellblech geschützt, vor dem eine alte Decke liegt. Darüber hängt zusammengebunden ein verrußtes Moskitonetz. An der Seite steht ihre persönliche, abschließbare Metallkiste, deren Schlüssel sie immer um den Hals trägt. In dieser Kiste sind die wenigen wichtigen Dinge ihres langen Lebens verstaut. Nebenbei dient sie als Abstellfläche für zwei Teebecher und verschiedene Büchsen. Neben der Feuerstelle stehen der Teetopf und eine schwarz verrußte Pfanne. Zwischen einem ihrer nackten Füße und der Feuerstelle liegt der abgetrennte, blutverkrustete Ziegenkopf von der gestrigen Schlachtung. Den wird sie sicher im

Weitere Kostenlose Bücher