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Wiedersehen in den Highlands - Roman

Wiedersehen in den Highlands - Roman

Titel: Wiedersehen in den Highlands - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Stirling
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Betsy ihn nicht aufgefangen hätte. Er war so durchgefroren, dass er alle Wärme aus ihrem Körper zu saugen schien, und binnen Sekunden fröstelte sie ebenfalls.
    »Sie dürfen nicht länger so weitermachen, Tom«, mahnte sie. »Sonst werden Sie bald selbst bei Ihrem Vater im Grab liegen. Kommen Sie ins Haus, um Ihr Abendbrot zu essen und sich aufzuwärmen!«
    »Ich kann nicht«, sagte Tom. »Er könnte wiederkommen.«
    »Nein, nein«, widersprach Betsy. »Conn ist für heute Abend gegangen.«
    »Conn?«, fragte Tom. »Nein, nicht McCaskie. Mein Daddy.«
    »Ist es das, worauf Sie warten, Tom – dass Ihr Vater aufwacht?«
    »Er ist zu dieser Frau gekommen, dieser Hexe in Drennan.«
    »Zu ihr gekommen?«
    »Er hat mit ihr gesprochen.«
    »Wie denn das?«
    »Peter hat es mir gesagt; Daddy hat durch sie zu mir gesprochen.«
    »Und Sie glauben, er wird wieder zu Ihnen sprechen?«, fragte Betsy.
    »Oh, ja, das glaube ich.«
    Im flackernden Kerzenlicht, in dem der Sarg einen gigantischen Schatten auf das Stroh warf und das verstohlene Rascheln von Ratten und Mäusen die Scheune erfüllte, war Betsy fast versucht, Tom zu glauben. Sie sah auf die blutleeren Züge des alten Mannes, die jetzt weich und wächsern wirkten. Einen Augenblick lang erwartete sie fast, dass er die Augen aufschlagen, seine dünnen Lippen öffnen und Tom befehlen würde, ins Haus zu gehen und brav sein Abendbrot zu essen.
    »Er findet keinen Frieden, Betsy.«
    »Für mich sieht er friedlich aus, Tom.«
    »Sein Geist findet keinen Frieden.«
    »Hören Sie«, sagte sie, »wenn er ... wenn er spricht, dann werde ich Sie holen.«
    Tom stützte die Ellenbogen auf den Rand des Sargs und betrachtete das Gesicht seines Vaters, so nah, fand Betsy, als wollte er vielleicht gleich versuchen, dem Leichnam wieder Leben einzuhauchen.
    »Tom«, erklang eine strenge Stimme. Betsy fuhr fast aus der Haut. »Tom, tu, was Betsy dir sagt, und geh ins Haus!«
    Sie schnellte herum und stieß einen Schrei aus.
    »Entschuldige, Mädchen, ich wollte dich nicht erschrecken.« Henry trat aus dem Dunkel in den Kerzenschimmer und nahm sie beim Arm. »Was hat mein einfältiger Bruder gefaselt, um dich so zu erschrecken?«
    »Ich habe ihr die Wahrheit gesagt«, erklärte Tom.
    »Die Wahrheit?«, fragte Henry. »Und was für eine Wahrheit soll das sein, Tom?«
    »Dass Daddy noch immer bei uns ist.«
    »Oh, aye.« Henry versuchte, sich gleichgültig zu geben. »Er wird noch bis morgen bei uns sein, Tom, und danach nicht mehr. Es ist traurig, doch das ist der Lauf der Welt.« Er legte seinem Bruder eine Hand auf die Schulter und führte ihn weg von dem Sarg. »Mutter hat eine schöne, kräftige Hammelfleischsuppe auf dem Feuer stehen. Es gibt noch einen kleinen Rest Kalbfleischpastete und reichlich Käse. Und dann ist da das Fass Brandy, das Connor McCaskie mitgebracht hat und das darauf wartet, geöffnet zu werden. Ich werde bis Mitternacht Wache halten, und danach werden wir beide, wie es sich gehört, Daddy gemeinsam Gesellschaft leisten, nur wir zwei, bis zum Morgengrauen. Was hältst du von meinem Vorschlag?«
    Betsy sah, wie Tom die Schultern sinken ließ und langsam nickte.
    »Brandy«, sagte er. »McCaskie hat uns Brandy mitgebracht?«
    »Und Rotwein.« Henry schob Tom sanft zur Tür. »Er ist ein großzügiger Bursche, dieser Mr. McCaskie, auch wenn ich keinen Zweifel habe, dass er morgen selbst tief genug ins Glas schauen wird.«
    »Aye, morgen«, murmelte Tom. »Morgen.« Und dann schüttelte er die Hand seines Bruders ab und ging hinaus in den Hof.
    Betsy wollte ihm folgen, doch Henry hielt sie auf.
    »Nein, Mädchen«, sagte er, »bleib und leiste mir Gesellschaft! Meine Mutter hätte Tom gern eine Weile für sich.«
    Er zog den Stuhl heran, hob die Decke vom Boden auf und schüttelte sie aus. Mit einer kleinen Handbewegung bot er Betsy den Stuhl an, und als sie Platz genommen hatte, legte er ihr die Decke um die Schultern. Er lehnte sich mit der Hüfte gegen das untere Ende des Sargs, verschränkte die Arme und sah zu ihr hinunter.
    »Was genau hat Tom zu dir gesagt, Betsy?«
    »Nur dass Tassie Landles von Ihrem Vater gehört hat.«
    »Glaubst du ihr?«
    Betsy zögerte. »Nein.«
    »Was hat Tom sonst noch von sich gegeben?«
    Sie sah stirnrunzelnd zu ihm hoch. »Nichts, Henry. Ich schwöre, das ist alles.«
    Er entfernte sich vom Sarg, stellte sich hinter sie und legte beide Hände auf ihre Schultern. So stand er dann einen Augenblick lang da. »Du bist ein ehrliches

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