Wiedersehen in den Highlands - Roman
dahockte, aber die Haushälterin empfand kein bisschen Mitleid mit ihr. Eunice Prole behauptete, in ihrem Leben nicht einen Tag krank gewesen zu sein, und sie sah keinen Grund, weshalb die Wehwehchen anderer ihr Umstände bereiten sollten.
»Du liegst nicht im Sterben, Mädchen«, sagte sie. »Du hast kein Fieber.«
»Aber alles tut weh, schrecklich weh. Kann ich nicht nach Hause gehen, Mrs. Prole?«
»Glaubst du etwa, im Waisenhaus wird man sich besser um dich kümmern als hier? Nein, Kind, es ist weitaus vernünftiger, eine Erkältung mit Arbeit durchzustehen, als faul im Bett zu liegen und sich selbst zu bemitleiden.«
»Aye, Mrs. Prole«, sagte Dorothy kläglich.
Rose hatte andere Dinge im Kopf, vor allem Tom Brodie und seine ausbleibende Antwort auf ihren Brief. Es war nur logisch, nahm sie an, dass Tom noch immer um seinen Vater trauerte und weitaus anderes im Kopf hatte als Liebe. Trotzdem ärgerte sie sich über sein Schweigen, und sie war geneigt, Dorothy die Schuld zu geben, die ihr keinen Brief von der Post mitgebracht hatte, als wäre das Hausmädchen für die Gleichgültigkeit des Farmers verantwortlich.
Dorothy hustete bellend.
»Es könnte die Schwitzkrankheit sein, wissen Sie«, bemerkte Rose.
»Es ist nichts dergleichen«, sagte Mrs. Prole. »Ich habe die Schwitzkrankheit in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit gesehen, und glaub mir, sie hat nichts gemein mit einer einfachen Erkältung.«
Dorothy fröstelte, ein bisschen theatralisch vielleicht, und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Aber mir ist so heiß«, stöhnte sie. »Und ich fühle es kommen.«
»Dann geh«, sagte Mrs. Prole, »sobald du hier fertig bist, zum Doktor, und er wird dir Blutegel auf den Bauch setzen.«
»Blutegel?« Dorothy fröstelte jetzt etwas überzeugender. »Nein!«
»Tassie Landles kann dir bestimmt ein Heilmittel geben«, bemerkte Rose.
»Aber dafür habe ich kein Geld«, erwiderte Dorothy kläglich.
»Ich werde dir Sixpence leihen«, bot Rose an.
»Woher hast du denn Sixpence?«, erkundigte sich Mrs. Prole.
Rose zuckte die Schultern. »Von Lucas.«
»Lucas Fergusson hat dir Geld gegeben? Wofür, das würde ich gern wissen.«
»Nein, meine liebe Mrs. Prole, ich habe Lucas keine Küsse verkauft«, erklärte Rose. »Ich habe mir ein paar Pence aus Papas Kassette genommen, wenn Sie es unbedingt wissen müssen.«
Eunice polierte schweigend eine Gabel, doch im Stillen war sie mit dieser Antwort zufrieden, denn Unterschlagung war immerhin eine geringere Sünde als Unzucht. Außerdem war Rose nicht das einzige Mitglied des Haushalts, das sich hin und wieder ein wenig Kleingeld aus der Geldkassette des Hausherrn nahm. »Wie dem auch sei«, sagte Eunice schließlich, »ich werde nicht zulassen, dass du dieser Hexe gutes Geld hinterherwirfst. Sie steht mit dem Teufel im Bunde, das weißt du. Ihre Heilmethoden sind nichts als Satansbeschwörungen, um dich in seine bösen Klauen zu locken.«
»Aber sie helfen«, wandte Dorothy ein, und bevor die Haushälterin sie dafür schelten konnte, wurde sie von einem so heftigen Hustenanfall geschüttelt, dass der Wassereimer umzukippen drohte.
Mrs. Prole warf ihre Gabel hin und riss die Hände zum Himmel. »Oh, nun gut«, fauchte sie. »Wenn du vorhast, den Rest des Nachmittags damit zu verbringen, in unser Essen zu spucken, dann denke ich, du solltest doch besser nach Hause gehen.«
»Danke, Mrs. Prole, danke.« Dorothy stand auf, schob den Hocker zurück, legte leicht schwankend das Schultertuch um und ging in die Diele. Rose brachte sie zur Tür, drückte ihr ein silbernes Sixpencestück in die Hand und flüsterte:
»Wenn du Zeit hast, gleich morgen früh auf dem Postamt vorbeizuschauen, wäre ich dir sehr verbunden.«
»Aye, Miss Rose, das werde ich«, versprach das Waisenkind und machte sich nach einer dankbaren und leicht taumelnden Verbeugung auf den Weg durch die kalte Abendluft zu dem Cottage bei der Brücke, um sich ein Heilmittel zu kaufen.
Walter Fergusson war nicht entgangen, dass sein Sohn die Freuden der körperlichen Liebe für sich entdeckt hatte. Einerseits war er erleichtert, dass man bei Lucas nun vielleicht doch damit rechnen konnte, dass er Enkelkinder in die Welt setzen würde; andererseits war er misstrauisch, was für eine Partnerin Lucas gewählt hatte – oder vielmehr, was für eine Partnerin ihn gewählt hatte.
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