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Wiedersehen in den Highlands - Roman

Wiedersehen in den Highlands - Roman

Titel: Wiedersehen in den Highlands - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Stirling
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auf dem Feld stehen, wo es von dünnen Gräsern und einer Handvoll Heu, die hier und da in den Hecken hing, am Leben erhalten wurde. Die Methode war nicht effizient genug für Tom und nicht menschlich genug für Henry, der in der Gleichgültigkeit seines Vaters gegenüber dem Wohlergehen des Viehs fast eine Spur Grausamkeit wahrnahm, als wäre es Matt Brodie zuwider, dass die Tiere überhaupt ernährt werden mussten.
    An jenem Tag Anfang November durchzuckte beide Söhne der Gedanke, dass das Hinscheiden ihres Vaters bei allem Schmerz durchaus auch sein Gutes hatte. Einhundert Guineen, sicher verstaut unter Henrys Bett, änderten zweifellos ihre Aussichten, und die Erschöpfung und die Schuldgefühle versetzten ihrer Arbeitslust einen Dämpfer. Der Rest des Vormittags nach Mr. Dingles Abreise wurde mit Überlegungen verbracht, wie sie ihre Gewinne am besten ausgeben könnten. Angestachelt von Janet, berechneten sie, wie viele Anlandungen wohl nötig sein würden, um so viel zu verdienen, dass sie Hawkshills siebzig saure Acres auf einen Schlag kaufen könnten.
    Betsy missgönnte den Brodies ihre Wunschträume nicht, aber als Außenstehende konnte sie erkennen, als wie zerbrechlich sich diese Luftschlösser vielleicht erweisen würden. Sie war enttäuscht von Henry, der im Allgemeinen so viel vernünftiger war als sein Bruder, doch im Verlauf jenes müßigen Vormittags wurde offenbar selbst er von der Überzeugung mitgerissen, dass das Geld ihnen Glück bringen und sie spätestens im Mai alle Sorgen los sein würden.
    Das Frühstück zog sich letztendlich bis zum Mittagessen hin. Aus den Resten des Leichenschmauses vom Montag bereitete Agnes Käsetoasts und einen Früchtekuchen zu, und Tom schenkte ihnen dazu ein paar Gläser Wein ein. Der Nachmittag hätte leicht in ein beschwipstes Gelage ausarten können, wenn nicht um kurz vor eins zwei mürrische Gentlemen in wallenden Umhängen in den Hof geritten wären, die drei stämmige Ponys an einer Leine mit sich führten. Die Männer luden die Fässer mit Gin und die Päckchen mit Tabak auf, bezahlten die Brodies und ritten dann, fast ohne ein Wort zu wechseln, die Moorstraße hoch, sodass auf Hawkshill alles wieder seine Ordnung hatte.
    Auf Janets Drängen hin holte Henry den Geldbeutel vom Dachboden. Er schüttete die Guineen auf den Tisch, legte die Summe dazu, die die Händler für den Gin und den Tabak bezahlt hatten, und rechnete laut eine hübsche Endsumme zusammen.
    Während sie einen Becher Wein mit beiden Händen umklammerte, sprang Janet auf und ab und rief: »Dreiundzwanzig Pfund, dreiundzwanzig Pfund für uns.«
    »Und achtzehn Schilling«, ergänzte Henry. Er stand auf, umfasste Betsys Taille und tanzte mit ihr durchs Zimmer, während die Möbel erbebten und die Münzen klimperten und sich wie eine Pfütze über den ganzen Tisch verteilten. »Morgen«, erklärte Henry, »werde ich nach Drennan reiten und Conn bezahlen.«
    »Ich werde mitkommen«, sagte Tom.
    »Vertraust du mir nicht, dass ich das Geschäft anständig abwickeln werde?«, gab Henry zurück.
    »Er will nach Drennan, um seinen Schatz zu sehen«, krähte Janet. »Und wenn es so wäre?«, erwiderte Tom. »Was kann das schon schaden?« Henry zuckte die Schultern. »Nichts, nehme ich an.«
    »Nicht, wenn er den Mund hält«, brummte Agnes.
    Trauer, Schuldgefühle und Liebe hatten Tom nicht gänzlich seines Verstandes beraubt. Er hatte nie die Absicht gehabt, vor Neville Hewitts Tür zu treten und um eine Unterredung mit der Tochter des Flachsfabrikanten zu bitten. Tatsächlich hatte er einen weitaus dringlicheren Grund, Henry nach Drennan zu begleiten.
    Er konnte kaum glauben, dass erst einige Tage verstrichen waren, seit er am Bett des alten Mannes gekauert und zugesehen – oder vielmehr zugehört – hatte, wie sein Vater vom Leben zum Tode überging. Dabei war er außerstande gewesen, die Hände von dem Kissen zu heben. Henry hatte ihn mit aller Kraft wegreißen müssen, und es schien Tom noch immer, als wäre ein Teil von ihm auch weggerissen worden. Rose’ zärtlicher Brief hatte ihm geholfen, sich ein wenig zu fangen, doch er sehnte sich danach, wieder hinter dem Pflug zu stehen und schwarze Erde von der Pflugschar spritzen zu sehen, während ihm der frische Wind ins Gesicht schnitt; er sehnte sich danach, dass alles wieder so war wie vor einem Jahr, als keine anderen Sorgen ihn geplagt hatten als die Schulden.
    »Hier«, sagte er. »Lass mich hier absteigen.«
    »Was denn«, fragte Henry,

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