Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
als würde ich Sie ewig kennen.«
Ich wusste, was sie meinte. Für mich war sie in Hannesford der einzige feste Anker.
Wir hatten das Dorf auf einem Weg verlassen, der steil an der Flanke des Moors emporführte, und eine Stelle erreicht, von der aus wir die Häuser unter uns liegen sahen. Der Weg war schmal, so dass wir eng nebeneinander gingen. Sie blieb unvermittelt stehen und legte die Handflächen auf die Revers meines Mantels.
»Dann versprechen Sie mir, morgen mit mir zu tanzen. Und sehen Sie mich nicht so feierlich an.«
Aber ich konnte ihr Lächeln nicht erwidern. Ich war nervös und fühlte mich nicht gut.
»Nichts lieber als das …«
Wo sollte ich anfangen? Als ich Anne anschaute, überkam mich eine furchtbare Hoffnungslosigkeit. Ich wollte keine Geheimnisse vor ihr haben, auf gar keinen Fall. Ich konnte mit niemandem so reden wie mit ihr. Ich wünschte mir mehr als alles andere, ehrlich mit ihr zu sein. Der Zwiespalt war zu schrecklich, um ihn in Worte zu fassen.
Und als die Worte schließlich kamen, klangen sie stockend und unbeholfen und verlegen. Ich erzählte ihr, wie sehr ich ihre Gesellschaft genossen hatte, seit ich zurückgekehrt war. Ich erzählte ihr, wie wohltuend es nach einem ganzen Tag in Hannesford Court war, ins Dorf zu gehen und mit ihr zu sprechen. Ich erzählte ihr, dass ich mir nicht vorstellen konnte, ohne sie dort zu sein. Ich erklärte ihr, dass ich mein ganzes Leben lang nie wirklich gewusst hatte, was ich wollte, und es erst jetzt allmählich zu verstehen begann.
Und die ganze Zeit über, während des ganzen Gesprächs,hörte ich nur das Grollen des herannahenden Donners. Als er noch näher kam, spürte ich, wie sie sich anspannte. Als ich meine Hände über ihre legte und sie drückte, fühlten sie sich starr und verkrampft an, gar nicht so weich, wie ich erwartet hatte.
Und dann, als es zu spät war, geriet ich ins Stocken. Diese Augen … Ich hatte nicht erwartet, solchen Schmerz in ihnen zu lesen.
»Da ist noch etwas anderes«, sagte sie.
»Es ist nichts. Wirklich nicht.« Ich meinte es ehrlich. Ich fühlte mich endlich frei von der Vergangenheit.
Doch sie sah mich immer noch an.
»Es geht um Margot, nicht wahr?« Sie kam beunruhigend rasch zur Sache. »Sie haben Margot immer gemocht. Das wusste jeder. Sie wollten es eigentlich nicht, konnten aber nicht anders. Und ich habe gesehen, wie sie Sie beim Abendessen angeschaut hat. Erzählen Sie mir davon.«
Ich wurde rot. »Ehrlich, Anne, ich bin endlich frei von Margot. Es ist, als hätte man mir eine Last von den Schultern genommen.«
Ich spürte, wie sie ihre Hände wegzog.
»Bitte sagen Sie es mir.«
Es wäre einfach gewesen, ihr auszuweichen. Zu lügen. Ein Teil von mir wollte die Gelegenheit ergreifen. Ich war tatsächlich frei von Margot. Es war die Wahrheit. Alles andere spielte keine Rolle. Doch als ich Annes Gesicht vor dem Hintergrund der weiten, schwarz-weißen Felder betrachtete, brachte ich es nicht fertig. Also erzählte ich ihr von Margot, von der letzten Nacht, Dinge, die ich nie hätte erwähnen dürfen. Jedes Wort war eine Katastrophe und gleichzeitig eine Erleichterung. Ich wollte vor Anne keine Geheimnisse haben.
Als ich zu Ende gesprochen hatte, ließ sie den Blick über das Dorf gleiten, mit glänzenden Augen, den Kragen hochgeschlagen, um sich vor dem Wind zu schützen.
»Danke, Tom. Sie waren sehr ehrlich. Wir sollten jetzt zurückgehen.«
»Es tut mir leid, Anne, wirklich leid …«
Aber sie wollte nicht darüber reden. Als wir das Pfarrhaus erreichten, fragte ich, ob ich sie trotzdem auf dem Ball sehen würde.
»Natürlich. Wieso nicht?«
Doch ihre Stimme klang flach und unpersönlich, und sie sah mir nicht in die Augen.
An jenem Abend war ich nicht in der Stimmung, lange aufzubleiben. Ich war zu ausgelaugt, zu unruhig. Zu unglücklich. Ich lag im Bett, davon überzeugt, dass mein Kopfkissen noch nach Margot roch. Mir kam mehr als einmal der Gedanke, dass es nicht verboten wäre, mich in ihr Zimmer zu schleichen, dass ich vielleicht sogar willkommen wäre. Ich konnte nicht so tun, als würden mich Margots Körper und ihre Berührung in diesen einsamen Stunden nicht reizen. Dennoch konnte ich der Versuchung erstaunlich mühelos widerstehen. Unsere gemeinsame Nacht zu wiederholen, würde sie verwandeln. Aus der Befreiung würde eine Falle werden. Eine neue Falle, in der ich mich verfing. Ich hatte zu viel Zeit meines Lebens in den Fängen von Hannesford verbracht, um meine neu
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