Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
gewonnene Freiheit einfach aufzugeben.
Außerdem musste ich an diesem Abend über etwas anderes nachdenken, das vielleicht noch drängender war als das Durcheinander, das ich in meinem eigenen Leben angerichtet hatte. An diesem Abend hatte Reggie sich geweigert, zum Essen zu kommen, und als ich nach ihm sah, wirkte er müde und ein wenig missmutig. Als ich mich für die Nacht zurückzog, überraschte mich der unaufdringliche Rowse und bat um ein Gespräch unter vier Augen. Beim Auspacken war wohl einer der Dienstboten auf Reggies Dienstrevolver gestoßen. Natürlich war das nicht ungewöhnlich, viele ehemalige Soldatenbehielten sie als Erinnerung. Doch Reggie hatte anscheinend darauf bestanden, dass man den Revolver an einer Stelle unterbrachte, die er leicht erreichen konnte. Munition war auch dabei gewesen, erklärte Rowse, die in einer niedrigen, gut zugänglichen Schublade verstaut wurde. Es sei nicht an ihm, solche Dinge zu melden, sagte er nüchtern, aber ich sei doch so ein guter Freund des jungen Herrn …
Ich hatte genickt und mich bedankt und war erleichtert, wieder allein zu sein. Reggie bewahrte also einen geladenen Revolver neben seinem Bett auf. Sollte ich mir Sorgen machen? Eher nicht. Es war schwer, alte Gewohnheiten abzulegen. Jeder Offizier hatte sich daran gewöhnt, sofort nach der Waffe zu greifen, wenn er abrupt geweckt wurde. Ich kannte einige, die ohne ihren alten Revolver gar nicht schlafen konnten.
Dennoch wünschte ich mir, Rowse hätte es für sich behalten.
12
B eim Frühstück drehte sich alles um das Abendvergnügen. Es würde der erste Ball in Hannesford seit dem Tod des Professors sein. Violet Eccleston verkündete, sie freue sich darauf und betrachte ihn als Ritual . Bill Stansbury und Denny Houghton empfanden ihn als Riesenspaß. Neil Maclean sagte, er freue sich darauf, einen traditionellen englischen Ball zu erleben. Lucy Flinders sorgte sich um ihr Kleid. Und seinem Stirnrunzeln nach zu urteilen war Freddie Masters in Gedanken bei Reggie, der nicht zum Frühstück erschienen war.
Doch vor dem Ball kam erst noch der Gedenkgottesdienst, der mir wachsendes Unbehagen bereitete. Ich hatte mich kaum darauf vorbereitet. In meinem alten Notizbuch hatte ich einige Punkte gefunden, die ich mir nach Harrys Tod für das Kondolenzschreiben notiert hatte. Sie kamen einem Nachruf auf Harry am nächsten. Doch als der Augenblick näher rückte, wurde mir klar, dass es im Grunde sehr wenig war.
Mein Plan hatte eigentlich darin bestanden, ein oder zwei Stunden vor dem Gottesdienst etwas niederzuschreiben, das angemessen, unverfänglich und knapp wäre. Doch an diesem Morgen fühlte ich mich irgendwie gelähmt. Bei dem Gedanken an den Gottesdienst überkam mich Panik. Ich hatte gelernt, dieses Gefühl zu kontrollieren, indem ich es ignorierte, bis die Gefahr tatsächlich da war. Eine durchaus nützliche Technik, wenn ich mich in den Schützengräben auf einen Infanterieangriffvorbereitete, doch im Falle einer Rede war sie weit weniger hilfreich. Als die Zeit gekommen war, zwang ich mich, meinen Notizen noch ein oder zwei Zeilen hinzuzufügen. Ich schrieb alle brauchbaren Phrasen nieder, die mir in den Sinn kamen. Es war nur ein grober Entwurf, mehr nicht. Den Rest würde ich spontan hinzufügen.
Als Lady Stansbury mich bat, nach Reggie zu sehen, war ich geradezu dankbar für die Ablenkung. Er weigerte sich, den Gottesdienst zu besuchen.
»Aber er muss mitgehen, Tom. Stellen Sie sich vor, wie es sonst aussehen würde! Sein eigener Bruder!«
Doch was dieses spezielle Thema betraf, war ich anderer Meinung. Ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht schlimm wäre, wenn Reggie zu Hause blieb. Die Gefahr, dass er in der Kirche einen Skandal verursachte, war weitaus größer.
»Alle wissen, was er durchgemacht hat«, versicherte ich ihr. »Und alle hier wissen, dass er gestern zu erschöpft war, um zum Abendessen herunterzukommen. Sie erklären einfach, dass er erst zu Kräften kommen muss. Seine Abwesenheit ist nur dann schockierend, wenn wir sie so empfinden.«
Doch trotz meiner beruhigenden Worte war ich mir nicht sicher, was mich erwartete, als ich Reggie aufsuchte. Das neue Schlafzimmer im Erdgeschoss war ruhig gelegen, die geschäftigen Vorbereitungen für das Fest am Abend drangen nicht bis hierher vor. Ich fand ihn in seinem Rollstuhl, wie er schweigend aus dem Fenster blickte.
»Es sieht so kalt aus da draußen, nicht wahr?« Der Rasen war noch immer mit Reif überzogen. »Kaum zu
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