Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Ellbogen bildete, wie ihn die geraden Linien der Gebäude umgaben.
Als er fertig war, richtete er sich auf, und erst da bemerkte ich, dass er nur eine Hand hatte. Die ungeschickten Bewegungen rührten daher, dass er den Besen mit dem Stumpf seines Arms führte. Er fühlte sich noch immer unbeobachtet und hielt kurz inne, bevor er im Stall verschwand. Ich verweilte auch nicht länger. Trotz des Mantels spürte ich allmählich die Kälte. Im Gehen fiel mir eine andere Szene ein, die ähnlichund doch anders war – der Park des Sanatoriums in Cullingford, in dem sich eine kleine Gestalt an Krücken vor der gewaltigen Kulisse des Moors hin und her bewegte.
In Gedanken versunken ging ich zum See. Auf dem Rasen lagen noch gefrorene Schneereste, die unter meinen Füßen knirschten. Der Nachmittag war dunkel und bewölkt, die Dämmerung würde rasch hereinbrechen. Vor mir tauchte eine einsame Gestalt auf, die über das Wasser blickte: Susan Stansbury, die ebenfalls vor dem Kartenspiel geflohen war.
»Warum friert er nicht zu?«, fragte sie, als ich zu ihr trat, und deutete auf die Oberfläche des Sees. Das Wasser war ruhig und metallgrau wie eine Waffe.
»Er friert zu, aber nur auf der anderen Seite. Hier gibt es eine Strömung unter der Oberfläche, wo das Wasser vom Fluss hereinfließt.«
»Natürlich.« Sie drehte sich lächelnd zu mir um. »Daran hatte ich nicht gedacht. Darum hat man uns Kindern auch verboten, an dieser Seite zu schwimmen.«
Wir gingen nebeneinander am Ufer entlang.
»Weißt du noch, wie Julian und Harry Oliver hier hineingeworfen haben? Er konnte nicht schwimmen, Freddie musste ihn herausholen. Das ist Jahre her. Damals waren wir uns noch fremd.«
»Es war vermutlich vor meiner Zeit«, erwiderte ich, konnte mir die Szene aber ohne weiteres vorstellen. Oliver war immer derjenige gewesen, der gestoßen wurde, und Harry derjenige, der stieß.
»Du hast Oliver nicht sehr gut gekannt, oder?«
Die Frage machte mich verlegen. Es war, als hätte Susan meine Gedanken gelesen. »Allmählich frage ich mich, ob ich überhaupt jemanden hier gut gekannt habe.«
»Es stimmt nicht, was du über Oliver und mich denkst.«
Ich hielt inne und sah ihr in die Augen. »Was denke ich denn?«
»Dass ich ihn nicht geliebt habe. Dass unsere Ehe nur eine Farce war.« Sie ging weiter, ich folgte ihr. »Ich weiß noch, wie schockiert du warst, als ich dir von unserer Verlobung erzählt habe. Es war beim Rosenball.«
Ich konnte mich erinnern. Champagnerkorken. Glückwünsche. Breites Grinsen. Endlose Trinksprüche. Harry, der feixte, als wäre es der Witz des Jahrhunderts. Ich hatte alles ziemlich fassungslos mit angesehen.
»Damals habe ich ohnehin nicht viel verstanden.«
»Doch. Margot.«
Ich nickte. An diesem Abend hatte Margot mir gesagt, sie werde Julian Trevelyan heiraten.
»Tom, du musst doch gewusst haben, dass sie Julians Antrag annehmen würde. Das haben alle gewusst.«
Und es stimmte. Die jahrelangen Flirts waren nur Teil eines aufwändigen Werberituals gewesen, und ich war mir wie ein Idiot vorgekommen.
»Es ist komisch«, sagte ich nachdenklich, »dass wir uns unserer eigenen Dummheit bewusst sind und uns dennoch lächerlich machen.«
Wir gingen zu den Bäumen am Ende des Sees.
»Du hast recht«, fuhr ich fort, »ich bin nie auf den Gedanken gekommen, du könntest Oliver lieben. Hast du ihn geliebt?«
»Zuerst nicht«, sagte sie sanft. »Und ich hatte auch nie damit gerechnet. Ich wusste, dass er nur um meine Hand anhielt, weil er keine Chance hatte, Margot zu bekommen.«
»Warum um alles in der Welt hast du seinen Antrag angenommen?«
»Es klingt sicher albern, aber ich glaube, es war die Art und Weise, in der er mich gefragt hat. Er war so unglaublich bescheiden. Und ich weiß noch, dass ich dachte, so könnten wir beide aus Hannesford fliehen, weg von Harry und Julian und ihren schrecklichen Freunden. Ich dachte, es wäre unsereRettung. Dann kam natürlich der Krieg, und alles veränderte sich.«
Wir hatten den Waldrand erreicht. Der Weg führte in den Wald hinein, noch immer am Wasser entlang.
»Du weißt ja, wie es war. Harry, Julian und die anderen waren solche Draufgänger, sie prahlten damit, was sie tun würden, wenn sie erst in Berlin wären. Plötzlich begriff ich, dass Oliver furchtbare Angst hatte und ich die Einzige war, vor der er sie nicht versteckte. Er versteckte sie vor allen anderen – seinen Eltern, vor allem aber seinen Freunden. Er wählte mich aus. Und das … rührte
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