Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
danach?«
»Ach, nichts Besonderes, es ging um eine Unterhaltung mit Freddie Masters. Ich habe mich gefragt, weshalb Reggie nach dem letzten Rosenball so schnell aus Hannesford verschwunden ist.«
Wir hatten die Stelle erreicht, an der der Wald in die Parklandschaft überging, und vor uns, jenseits des schneegeflecktenRasens, lag Hannesford Court. Während wir hinübersahen, wurde die Außenbeleuchtung eingeschaltet. Susan wirkte nachdenklich.
»Da war tatsächlich etwas, bevor er wegging«, sagte sie schließlich. »Er sagte, er habe etwas getan, das er bereue, und er müsse fort von hier, um alles zu überdenken. Ich habe damals nicht weiter darauf geachtet. Reggie war eben Reggie.« Sie hielt inne. »Aber wenn du wissen willst, worum es ging, musst du ihn schon selber fragen.«
Um fünf Uhr, als das letzte Licht verblasst war, stellte Bill Stansbury erneut das Grammophon in der Orangerie auf und trotzte so der unausgesprochenen Regel, dass es sonntags nicht zu laut oder frivol in Hannesford zugehen dürfe. Ich hörte die Musik und Menschen, die sich amüsierten, und begrüßte die Neuerung. Nach dem Spaziergang an diesem dahinschwindenden Winternachmittag lockte mich die lebhafte Gesellschaft; ein Glas Champagner mit Margot oder Freddie war mir als Stärkung durchaus willkommen. Doch auf dem Weg nach unten begegnete ich dem alten Colonel Rolleston, der darauf bestand, dass ich mit ihm im Salon einen Whisky Soda trank. Dort erläuterte er mir seine Theorien über die Zukunft der Kriegsführung, die im Wesentlichen auf seinen Beobachtungen aus dem Burenkrieg beruhten. Ein Wunder, dass der Krieg so lange gedauert hatte, wo doch so viele Colonel Rollestons Leserbriefe an die Times schrieben, um ihre Ratschläge zu verbreiten.
Doch trotz seines Monologs hatte ich plötzlich keine Lust mehr, mich aus dem Salon wegzubewegen. Hier war es warm und entspannend und duftete leicht nach weißen Lilien aus dem Gewächshaus. Vor allem wurde es angenehm ruhig, nachdem der Colonel verschwunden war, um sich umzuziehen: das Kaminfeuer knisterte, die Standuhr schlug die Viertelstunden, ich hörte Gemurmel aus einer Ecke, in der Sir Robert undHoratio Finch-Taylor die Köpfe zusammensteckten. Mir war nicht nach Konversation, aber ich wollte auch nicht allein sein. So gesehen hatte ich mir den perfekten Ort ausgesucht.
Schließlich wurde ich von Freddie Masters und Neil Maclean in meiner Einsamkeit gestört, die sich beide zum Essen umgezogen hatten und sehr elegant aussahen.
»Zigarette, alter Junge?«, fragte Freddie und hielt mir das Etui hin. »Neil hat mir gerade erzählt, dass es Gegenden in Nordamerika gibt, in denen es nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, eine Schusswaffe zu tragen. Kannst du dir das vorstellen?«
Der Amerikaner lachte nur und nahm sich eine Zigarette.
»Darf ich?« Freddie holte sein elegantes grün-goldenes Feuerzeug heraus und zündete zuerst meine und dann Neils Zigarette an. Dann ließ er die Flamme verlöschen.
»Wer hat den July Cup gewonnen?«, erkundigte ich mich.
»Bill natürlich.« Maclean grinste. »Er hat als Einziger die Regeln verstanden. Danach mussten wir ein Spiel namens St. Petersburg spielen, das die Bolschewiken in Russland angeblich verboten haben. Falls ja, kann ich sie nur dazu beglückwünschen.«
»Ach, fangen Sie bloß nicht mit russischer Politik an«, warf Freddie ein. »Das könnte einen Aufstand geben. Wenn es nach bestimmten Leuten ginge, würden Allen und ich jetzt gen Moskau marschieren.«
Bevor sich das Gespräch der bolschewistischen Bedrohung zuwenden konnte, verrieten uns Stimmen aus der Großen Halle, dass Anne ihr Versprechen gehalten hatte und zum Abendessen gekommen war. Als Lady Stansbury sie in den Salon führte, begegneten sich unsere Blicke, und sie lächelte.
Die Tischgespräche waren an jenem Abend besonders öde; möglicherweise waren es die ödesten seit meiner Ankunft. Ich hatte gehofft, mit Anne sprechen zu können, doch sie saß ganz am anderen Ende, damit Lady Stansbury sich in Ruhemit ihr über Reggie unterhalten konnte. Ich hingegen fand mich in einem Dreieck aus Sir Robert, Horatio Finch-Taylor und Mapperley gefangen. Meine einzigen Leidensgenossen waren Lucy Flinders und die schwerhörige Mrs Rolleston, so dass mir kein Ausweg blieb und ich Finch-Taylors ausschweifende Ansichten über den Aktienmarkt und Mapperleys Klagen über die Bergarbeiter ertragen musste. Ich hätte viel dafür gegeben, Violet Eccleston in meiner Nähe zu haben. Sie
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