Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
mich. Ich fühlte mich geehrt durch sein Vertrauen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Natürlich meldete er sich trotzdem, weil alle es taten. Er glaubte, keine andere Wahl zu haben.«
Ich sagte nichts. Vor uns lugte das Bootshaus zwischen den Bäumen hindurch. Susan schien es nicht wahrzunehmen.
»Ich erinnere mich an den Tag, an dem er wegging. Ich sah seinen Gesichtsausdruck, als der Zug losfuhr, und ich betete, betete inständiger, als ich je um etwas gebetet habe, dass Gott über ihn wachen und ihn nach Hause schicken möge.«
Sie lächelte schwach, als schämte sie sich für ihre Naivität.
»Er hat mir geschrieben. Seine Briefe klangen so tapfer, Tom. Nicht wie die an seine Mutter, in denen er sich rau und herzlich gab und berichtete, dass er gut aß und sich warm hielt. Sie klangen viel tapferer. Er schrieb, wie sehr er sich fürchtete. Als ich sie las, brach es mir fast das Herz. Ich konnte nicht glauben, dass es jemals eine Zeit gegeben hatte, in der er mir nichts bedeutete. Ich hatte Angst, dass ich nie die Chance bekommen würde, ihm zu sagen, was ich für ihn empfand.«
Wir schwiegen eine Weile, bis wir zu dem alten Ponton kamen, an dem früher die Ruderboote vertäut lagen.
»Die Heimaturlaube waren schrecklich«, fuhr Susan fort.»Wir hatten keinen Augenblick für uns. Immer waren seine Eltern dabei. Erst in seinem allerletzten Urlaub, nach unserer Hochzeit, waren wir allein. Es war vor dem großen Vorstoß. Passchendaele. Und da endlich hat er gemerkt, und zwar ohne jeden Zweifel, dass ich ihn wirklich liebte. Das hatte er nicht erwartet. Er hatte nie erwartet, dass jemand ihn um seiner selbst willen lieben könnte. Diese letzten drei Tage mit ihm … Er dachte wohl, ein Wunder wäre geschehen.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, aber sie lächelte.
»Weißt du, Tom, es mag falsch klingen, aber ich bin so froh, dass er es erfahren hat. Ohne den Krieg hätten wir vielleicht fünfzig Jahre höflich nebeneinander gelebt, ohne es je zu erkennen. Klingt das falsch?«
»Womöglich war er ein glücklicher Mann.« Ich meinte es ernst. Es war besser, im Wissen zu sterben, dass man etwas zu verlieren und aus seinem Leben etwas gemacht hatte, das zu bewahren sich lohnte.
Wir hatten das Bootshaus erreicht, und ich drückte aus einer Laune heraus gegen die Tür. Nach mehreren energischen Versuchen schwang sie auf, und wir konnten hineinschauen.
Drinnen war die Zeit stehen geblieben. Die Möbel waren nicht verhüllt und standen dort, wo sie immer gestanden hatten, als erwarteten sie Besuch. Die halb vollen Karaffen auf der Anrichte hatte man ohne ein Wort des Abschieds zurückgelassen. In den Jahren, seit die Söhne der Stansburys fortgegangen waren, hatte der Staub seinen Siegeszug angetreten, und Spinnen hatten dichte graue Netze über die Fenster gewoben. Ich sah, wie Susan erschauerte. Wir bewegten uns kaum über die Schwelle.
»Oliver hat mir ein bisschen davon erzählt, was sie hier so getrieben haben«, sagte Susan. »Er sagte, es sei ein gesetzloser Ort gewesen.«
»Damit hatte er wohl recht. Junge Männer, die ihren Spaß haben.«
Ich bemerkte einen Gegenstand, der auf dem Sofa lag, und bückte mich danach. Zu meinem Erstaunen erkannte ich ihn wieder: ein goldener Bienenkorb, von grauem Staub überzogen.
»Der gehörte Oliver«, sagte ich und hielt Susan den Manschettenknopf hin.
Susan nahm ihn und betrachtete ihn mit einem traurigen Lächeln. »Stimmt, die hatte ich ganz vergessen. Weißt du noch, wie stolz er auf sie war? Ich glaube, er hat sie beim Kartenspiel verloren, nur ein oder zwei Tage, nachdem er sie das erste Mal getragen hatte. An Julian oder Harry, das weiß ich nicht mehr so genau. Ich frage mich, wie er hier gelandet ist.«
Drinnen schien es kälter zu sein als draußen, und wir wandten uns zum Gehen. Ich brach zuerst das Schweigen.
»Susan«, sagte ich unvermittelt, »es ist vielleicht unangebracht, aber ich wollte dich etwas wegen Reggie fragen. Wegen seines Jähzorns. Weißt du, ob er jemals mehr als nur die Stimme erhoben hat?«
Sie schaute mich verwirrt an. »Wie meinst du das?«
»Hat er jemals die Beherrschung verloren? Hat er je im Zorn die Hand gegen jemanden erhoben?«
In der kalten Winterluft klangen meine Fragen schroff und dreist, und ich schämte mich für sie. Susan wirkte leicht schockiert.
»Ich glaube nicht. Reggie war nie gewalttätig. Dafür loderte sein Temperament zu rasch empor. Er hat seinen Zorn nie lange unterdrückt. Warum fragst du
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