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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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sie am Empfang etwas Spitzes und Scharfes haben.«
    Die Tür fiel ins Schloss. Ich lag immer noch da, starrte eine gefühlt ziemlich lange Zeit an die Decke und versuchte, die unterschiedlichen Flecken zu identifizieren. Einer sah wie ein Fisch aus. Einer wie ein Vogel. Einer sah aus wie meine in sich zusammenschnurrende Zukunft.
    Ich schaute auf die Digitaluhr auf dem Nachttisch und sah, dass es irgendwie schon fast zwei Uhr nachmittags war. Falls Linus und die Band das Hotel nach mir durchsuchten, dann waren sie noch nicht so weit, sämtliche Türen aufzubrechen.
    Schließlich kam Paula mit einer sehr tödlich aussehenden Schere zurück. Sie beugte sich über das Bett zu meinen festgebundenen Armen, wobei sie jeden Augenkontakt vermied.
    »Halt still.«
    »Hör mal«, sagte ich, »Paula –«
    »Ich bin aus einem bestimmten Grund gekommen.« Schnipp-schnipp. »Armitage landet heute Nachmittag hier.« Schnipp. »Er will sich vor dem Auftritt persönlich mit dir treffen.« Sie war mit der ersten Kordel fertig und machte sich an die zweite. »Ich muss mich wohl nicht erkundigen, wie die Tour bis jetzt gelaufen ist?«
    »Lass den Quatsch«, erwiderte ich. »Hörst du mir mal zu?«
    Schnipp-schnipp. »Ich bin nicht sauer, Perry, kapiert? Ich bin erwachsen. Ich verstehe das sehr gut.«
    »Aber ich habe dir überhaupt noch nichts gesagt.«
    »Musst du auch nicht.«
    »Aber ich –«
    »Ich habe gelesen, was du über sie geschrieben hast, schon vergessen? In deinem College-Aufsatz?«
    »Ja, schon«, sagte ich, »aber das hat überhaupt nichts –«
    Schnipp. »Ich hätte dich nie nach Venedig schicken sollen.«
    »Ich habe überhaupt –«
    Schnipp. »Ich sollte mal meinen Kopf untersuchen lassen.«
    »Paula, sie bringt schon wieder Leute um.«
    Die Schere erstarrte mitten im Schnipp. Paula richtete sich auf und sah mich an. »Was?«
    »Gobi. Sie arbeitet für jemanden namens Kaya. Er hat irgendwas über sie in der Hand, ich weiß auch nicht, was, aber er zwingt sie zu irgendeinem neuen Auftrag. Die Ziele … einer von ihnen hatte Priesterkleidung an! Sie hat mich gestern Abend gezwungen, ihr dabei zu helfen, die Leiche von ihrem Hotelbalkon in den Kanal zu werfen.«
    »Du hast ihr geholfen, eine Leiche loszuwerden?«
    »Genau. Gestern Abend hat sie außerdem in einem Restaurant eine Schrotflinte gekauft und sie den ganzen Weg hierher auf meinen Rücken gerichtet. Wir müssen sofort die Polizei anrufen, bevor Gobi zurückkommt.«
    Paula schnitt das letzte Stück Kordel durch. Endlich war auch meine linke Hand frei. Ich streckte den Arm aus und versuchte, das Prickeln aus den eingeschlafenen Gliedmaßen zu verscheuchen und den Blutkreislauf wieder in Gang zu setzen. Sie hatte immer noch nichts gesagt. Ein Blick in ihre Augen verriet mir, dass sie fieberhaft nachdachte, die Situation abschätzte und ihre Möglichkeiten analysierte.
    »Du hast gesagt, du hast ihr geholfen?«, fragte sie.
    »Nein! Ich meine, ja, aber –«
    »Hat dich jemand dabei gesehen?«
    Ich dachte an unser Zusammentreffen mit den Carabinieri in der Trattoria Sacro e Profano. »Also, na ja, schon, aber –«
    »Die Polizei?«
    »Ja.«
    »Und sie haben dein Gesicht gesehen.« Paula seufzte. »Damit bist du bereits ein Komplize.«
    »Was?« Ich stand auf. » Nein! Ich hab dir doch gesagt, dass sie ein Gewehr auf meinen –«
    »Perry«, sagte Paula, »hör mir mal genau zu. Ich glaube dir, so viel ist klar. Aber du musst die Sache von deren Warte aus betrachten. Momentan bist du einfach nur ein junger Amerikaner auf einer Rock’n’Roll-Tournee, den sie zuletzt bei einer Bonnie-und-Clyde-mäßigen Schießerei mit einer bewaffneten Psychopathin gesehen haben. So ein internationaler Zwischenfall kann sehr schnell aus dem Ruder laufen. Selbst wenn es keine Video-Aufnahmen von dir gibt, haben sie dein Fahndungsbild inzwischen wahrscheinlich neben dem von Gobi an Interpol weitergegeben.« Sie schloss die Augen und holte tief Luft. »Ehe wir irgendetwas unternehmen, brauchst du einen italienischen Anwalt, sonst dürfte deine nächste Station ein italienisches Gefängnis sein.«
    »Gefängnis?« Ich spürte, wie mein Magen wegsackte und mir plötzlich übel wurde. Ich konnte nicht mehr atmen, als hätten meine Lungen irgendwie Lampenfieber bekommen und vergessen, wozu sie eigentlich da waren. In meinem Gehirn tauchte jeder einzelne Film auf, in dem ein Typ in einem ausländischen Gefängnis landet, den ich bereits gesehen hatte. Ich überlegte bereits, wie

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