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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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Schlüssel zurückkam, fuhren wir mit dem Fahrstuhl zu Armitages Suite hinauf, von wo aus ich den Blick über den Canal Grande und die Stadt dahinter schweifen ließ. Dabei versuchte ich nicht daran zu denken, dass ich vor weniger als vierundzwanzig Stunden versucht hatte, aus ähnlicher Höhe eine Leiche loszuwerden.
    »Gefällt dir die Aussicht?«
    »Wahnsinn.«
    »Perry …«
    Ich drehte mich um. Paula saß auf dem Bett und sah mich auf eine Art und Weise an wie noch nie zuvor.
    »Wir müssen noch ein paar Stunden totschlagen«, sagte sie. »Irgendwelche Vorschläge?«
    »Wir könnten uns Champagner bringen lassen.«
    »Hört sich schon mal gut an. Aber was machen wir dann?«
    Ich setzte mich neben sie aufs Bett, und wir fingen an, uns zu küssen. Paulas Hand schob sich unter mein T-Shirt, und schon kippten wir nach hinten auf die Bettdecke. Mir fiel nur noch ein: Jetzt ist es so weit. Du bist in Europa, du bist allein in einem Hotelzimmer, und du kannst machen, was du willst. Ich dachte daran, dass die meisten Jungs, meine Freunde eingeschlossen, ihre Unschuld auf dem Rücksitz eines Autos oder auf dem Sofa ihrer Freundinnen verloren hatten, in der Hoffnung, dass ihr Vater nicht hereinplatzte und sie dabei erwischte. Verglichen damit erlebte ich einen Traum.
    Paula setzte sich wieder auf und sah mich an. »Stimmt was nicht?«
    »Wieso?«
    »Du bist irgendwie abgelenkt.«
    »Nein, alles bestens, ehrlich.«
    »Ich wusste es.« Ihr Blick bohrte sich in meinen. »Du denkst an sie, stimmt’s?«
    »Was?« Ich schüttelte den Kopf. »An Gobi? Spinnst du?«
    »Ich bin nicht blöd, Perry.«
    »Warte«, sagte ich und nahm sie am Arm. »Hör mir einfach mal zu, ja?«
    Sie erwiderte nichts, sondern starrte mich einfach nur an.
    »Glaub mir«, sagte ich, »ich möchte jetzt mit niemand anderem als mit dir hier sein. Mit niemandem.«
    Paula hielt den Blick auf mich gerichtet. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Irgendwo weiter unten auf der Piazza läutete eine Kirchenglocke. Sie holte tief Luft.
    »Beweise es.«
    *
    »Perry? Bist du fertig? Es ist Zeit.«
    »Einen Moment noch.« Es war inzwischen fast achtzehn Uhr, und ich stand immer noch im Bad und fummelte an meinem Schlips herum. »Bin gleich so weit.«
    Paula antwortete nicht gleich. Sie biss sich auf die Unterlippe und machte ein komisches Gesicht, halb angesäuert, halb verlegen, ein Gesicht, wie ich es bei ihr noch nie gesehen hatte. Der europäisch geschnittene Anzug, den mir Benito vom Empfang gegeben hatte, passte mir ziemlich gut – genau genommen passte er fast zu gut. Die schmalen, unten enger werdenden Hosen und die Anzugjacke schmiegten sich in geraden, eleganten Linien an meinen Körper. Das Hemd war aus einem hauchdünnen, seidigen Material, das sich anfühlte, als würde es sich auflösen,wenn es nass wurde, und der Schlips dazu kam sehr schick und genau auf den Punkt. In meinen schmalen schwarzen Lederschuhen konnte man sich spiegeln. Irgendwo im Universum fragte mich jeder Typ, mit dem ich mir je RoboCop angeguckt habe, ob ich vielleicht ein Glas Chardonnay zu meiner Greatest Hits -CD von Céline Dion haben möchte.
    »Du siehst … toll aus«, sagte sie. »So habe ich dich noch nie gesehen. Ich könnte dich glatt vernaschen.«
    »Immer noch?«
    »Schon wieder.«
    »Jetzt?«
    »Immer.«
    »Aha«, sagte ich. »Vielen Dank auch. Du siehst aber auch sehr appetitlich aus.«
    »Ich musste ganz eilig packen.« Offensichtlich bedeutete »ganz eilig« ein tief ausgeschnittenes schwarzes Cocktailkleid mit einem stilisierten Reißverschluss, der quer über die Vorderseite lief, ein weißes bauchfreies Pelzjäckchen und Stilettos, für die man höchstwahrscheinlich einen Waffenschein brauchte. Ich habe eindeutig zu viel Zeit mit Gobi verbracht, dachte ich, wenn ich jetzt schon modische Accessoires mit den Augen eines Geheimagenten betrachtete. Paula trug die Haare hinten hochgesteckt, was ihren Hals und die Ohren betonte, an denen sie keinerlei Schmuck trug. Etwas an dieser gebräunten, durch nichts unterbrochenen Haut verlangte danach, dass ich sie küsste – was wohl genau der erwünschte Effekt war.
    »Vergiss deine Sonnenbrille nicht.« Sie bot mir ihren Arm. »Können wir?«
    Wir nahmen den Aufzug nach unten und sahen beideden wechselnden Zahlen zu. Auf einmal legte sie eine Hand auf meine Brust.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Gut.«
    »Ganz bestimmt?«
    »Klar.«
    Sie drehte sich zu mir um und lächelte. Hätte mir in diesem Augenblick jemand erzählt,

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