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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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sie Swierczynski abgenommen hatte. Ich hörte sie etwas auf Litauisch murmeln, sanfte Konsonanten und S-Laute, kaum mehr als ein Flüstern. Es erinnerte mich an die Zeit, als sie bei uns in Connecticut gewohnt hatte und ich sie manchmal durch die Zimmerwand hatte reden hören. Damals hatte ich gedacht, sie telefoniere mit ihrer Familie in Litauen. Aber wen rief sie jetzt an?
    Obwohl ich ihr versichert hatte, ich könne mit den Armen über dem Kopf nicht schlafen, muss ich eingedöst sein, denn irgendwann spürte ich, wie sie neben mir ins Bett kroch, hörte, wie die Bettfedern unter mir quietschten. Obwohl unsere Körper sich nicht berührten, war ich mir der Wärme ihrer Haut zwischen den kühlen Lakenbewusst, hörte ihren leisen, gleichmäßigen Atem. Ihr nackter Arm streifte meinen. Ich roch Leder, und der leise Meeresduft von draußen vermischte sich mit dem Duft des Zeugs, mit dem sie sich die Haare gewaschen hatte.
    »Gobi?«
    »Was?«
    »Ich kann echt meine Arme nicht mehr spüren.«
    »Ich schon.« Sie drehte sich zu mir und legte eine Hand auf meine Brust. »Dein Herz klopft sehr stark.«
    »Schmerz beschleunigt die Herzfrequenz.«
    »Willst du jetzt wirklich darüber reden?«, fragte sie. »Schmerzen?«
    »Nein, nicht.« Ich versuchte mich wegzudrehen, aber die Kordeln um meine Handgelenke ließen das nicht zu. »Ich hab dir doch gesagt …«
    Ihre Hand glitt über meinen Bauch und weiter nach unten. »Jetzt sagst du mir aber etwas ganz anderes.«
    »Das ist –«
    »Was?«
    » …«
    » …«
    Sie kicherte leise, tätschelte meine Brust und drehte sich auf den Rücken. »Schlaf jetzt«, sagte sie. »Morgen haben wir viel vor.«

18
    »Panic Switch«
    – Silversun Pickups
    »Perry?«
    Ich machte die Augen auf und versuchte mich aufzurichten, aber dann fiel mir ein, dass das nicht ging. Meine Schultern brannten, und mein Nacken tat höllisch weh, als hätte ich unterhalb des Schädels Eisenstäbe im Rücken stecken. Rechts von mir wurden mit einem metallischen Rasseln die schweren Vorhänge aufgezogen. Das Tageslicht knallte mir voll ins Gesicht. Es war so grell, dass ich die weibliche Silhouette davor kaum erkannte.
    »Alles klar«, stammelte ich, »es ist Morgen. Würdest du mich jetzt bitte losbinden?«
    Meine Augen gewöhnten sich an das helle Licht. Nach und nach sah ich, wer sich da über mich beugte.
    Es war Paula.
    *
    Sie stand zwischen mir und dem Fenster und trug den Mantel, in dem sie zweifellos in Venedig angekommen war. In einer Hand hielt sie noch ihre Aktentasche, in der anderen ihren Koffer. Wir starrten einander einen Moment an. Erst jetzt merkte ich, dass die Laken bis zu meinen Hüften heruntergezogen waren, gerade weit genug, um keinen Zweifel daran zu lassen, dass ich darunter nichts anhatte. Mit einem Mal wurde ich mir meiner merkwürdigen Stellung auf dem Bett peinlich bewusst.
    »Ich … Ich habe in L. A. früher Schluss gemacht.« Sie blinzelte genau ein Mal. Die Worte fielen aus ihrem Mund wie uralte Bonbons aus einem Automaten und blieben zwischen uns liegen. »Ich habe einen Flug erwischt. Ich wollte dich überraschen.«
    »Das ist dir gelungen.«
    »Allerdings.« Auch dieses Wort gesellte sich zu den anderen. »Ich bin selbst sehr überrascht.«
    »Ein Glück, dass du hier bist«, sagte ich. »Gobi –«
    »Gobi?« Ihre Augenbrauen wanderten noch ein Stück höher, falls das überhaupt möglich war. »Gobi ist hier?«
    »Was glaubst du wohl, wer das hier getan hat?« Ich zerrte an der Kordel, als müsste ich ihre Aufmerksamkeit noch mehr auf die Tatsache lenken, dass ich an die Bettpfosten gefesselt war. »Kannst du mich losschneiden?«
    Paulas Blick wanderte über Gobis Kleider, die im Zimmer verstreut lagen, eine Bluse auf dem Nachttisch, etwas Rotes, mit Spitzen Besetztes baumelte am Türknauf. Irgendwo in meinem benebelten Hirn wurde mir klar, dass Gobi früh aufgestanden und einkaufen gegangen sein musste, dann war sie wohl wieder hierher zurückgekommen und hatte sich umgezogen, während ich noch tief und fest geschlafen hatte. Hätte sie nicht wenigstens hinter sich aufräumen können?
    Als Paulas Blick sich wieder auf mich richtete, war er noch schwerer zu lesen. Die Überraschung war daraus verschwunden. An ihre Stelle war etwas anderes getreten, eine geschäftsmäßige Entschlossenheit, als betrachtete sie die Situation plötzlich durch völlig andere Kontaktlinsen. »Natürlich.«
    »Warte, Paula –«
    »Ich bin gleich wieder da. Ich will nur mal nachsehen, ob

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