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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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und Mom und Annie immer näher an –
    Es brachte sie dem Tod näher. Du weißt es. Der Tod. Genau so lautet das Wort.
    Ich überlegte, ob ich mich einfach nach irgendeiner Notfallklinik umsehen sollte, als sich eine kalte Hand um meinen Nacken legte, deren Daumen und Zeigefinger mir die Sehnen zusammendrückten, dann schoss mir ein Schmerz wie Blitze in beide Arme, und dann waren die Arme taub.
    Die deutsche Stimme an meinem Ohr war ganz ruhig und flüsterte fast.
    »Ich sehe sie mir gleich an.«

26
    »Hurt«
    – Nine Inch Nails
    »Lass mich raten«, sagte ich. »Kaya?«
    Der Mann hinter mir gab mir keine Antwort. Ich warf vorsichtig einen Blick über die Schulter. Ich schätzte ihn auf Mitte bis Ende dreißig, und er war auf eine nachlässige Weise gutaussehend. Er trug braune Wollhosen und ein verwaschenes Flanellhemd, das bis zum Ellbogen hochgekrempelt war, dazu einen Zweitagebart und dichtes schwarzes Haar, das ihm in die Stirn fiel. Er hatte flinke, suchende Augen und eine scharf gezeichnete Oberlippe mit dazu passendem Kinn. In den fünfziger Jahren hätte er es damit zum Filmstar für die Spätvorstellungen gebracht, nur dass ihm sein Aussehen gerade vollkommen egal war.
    »Hilf mir, sie reinzutragen«, sagte er leise. Dann strich er sanft über Gobis Kinn, drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite und meinte: »Jetzt ist alles gut, Zusane. Ich bin da.«
    *
    Wir trugen sie in den leeren Weinladen, ein düsteres, vollgestopftes Rechteck, das aussah, als hätte dort schon seit Jahren niemand mehr Champagner oder sonst etwas gekauft. Als wir am Verkaufstresen mit der zugehängten Kasse vorbeigingen, fiel mir auf, dass in jedem Regal genau eine Flasche lag, gerade genug, um nach außen hin wie ein gutsortierter Laden zu wirken. Dabei waren die meisten Flaschennicht nur leer, sondern auch zentimeterdick mit Staub bedeckt.
    An der hinteren Wand führte eine Flügeltür zu einer schmalen Treppe. Ich hielt Gobi an den Beinen, und der Typ nahm ihre Arme, dann schob er sich vorsichtig rückwärts die Stufen hinauf, während ich mein Bestes gab, dass ihre Füße nicht über den Boden schleiften.
    »Wie lange ist sie schon so?«, frage er.
    »Seit gestern Abend.« Ich sah ihn an. »Wer –«
    »Hier rein.« Oben angekommen, traten wir durch einen Durchgang in einen blendend hellen, großen Raum. Im Vergleich zum schummrigen Schnapsladen unten war der erste Stock ein makelloser Raum mit hellem Parkett und einer riesigen Spiegelwand.
    Ich brauchte einen Augenblick, ehe ich begriffen hatte, dass es ein Fitnessraum war.
    Wir trugen Gobi an Gewichten und Hanteln vorbei, an einem Gestell, das Barren und Balken zugleich war, an mehreren Matten, sogar an einem Pferd; dahinter reichte eine Kletterwand vom Boden bis zur Decke. Von der Decke hing lauter Zeug zum Boxen: schwere Sandsäcke, Boxdummys, Speedbags. Auf der anderen Seite des Raums standen und lagen diverse Kampfsportausrüstungen, eine gefährlicher als die andere, angefangen bei Boxhandschuhen und Kopfschutz über Wurfwaffen, Schwerter und Messer, bis hin zu einem gewaltigen, verschlossenen Gewehrschrank, in dem genug gutgeölte automatische Waffen glänzten, um damit diesen Teil der Schweiz von der Landkarte auszuradieren. Das alles so geballt vor mir zu sehen, war mehr als nur ein bisschen verstörend.
    »Wo haben Sie die Atomwaffen?«, fragte ich.
    Der Mann beachtete mich überhaupt nicht, sondern machte an der gegenüberliegenden Wand des Übungsraums eine Tür auf. Dahinter erblickte ich ein deutlich wohnlicheres Zimmer, inklusive Marmorböden, einem langen Ledersofa, Tischen aus Glas und Metall und indirekter Beleuchtung. Ich glaubte, die leisen Klänge einer Hawaii-Gitarre zu hören.
    »Du bleibst hier.«
    »Halt, warten Sie mal –«
    Er nahm Gobi mit und machte mir die Tür vor der Nase zu.

27
    »99 Problems«
    – Jay-Z
    Was ziemlich uncool war.
    Ich wanderte unruhig in dem Fitnessraum auf und ab, betrachtete mir die Eisen- und Chromgeräte, ohne sie so richtig wahrzunehmen, weil ich die ganze Zeit darüber nachdachte, was bis jetzt alles schiefgelaufen war, und letztendlich darauf wartete, dass der Typ dort wieder herauskam. Als das nicht geschah, ging ich wieder zu der anderen Tür, die nach unten führte, aber der Griff ließ sich nicht herunterdrücken. Abgesehen von allem anderen war ich jetzt offensichtlich auch noch im größten und tödlichsten Trainingsraum des Universums eingesperrt.
    Mein leerer Magen machte sich mit einem Knurren bemerkbar, das

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