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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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zurückgekehrt und ihre Augen sahen hell und klar aus, völlig wach und auf ihre Umgebung orientiert.
    Sie ging zu Erich, lehnte sich an ihn, nahm seine Hand und murmelte etwas auf Deutsch. Er lächelte und antwortete ihr, wobei er ihre Finger drückte. Dann schaute sie mich an.
    »Danke, Perry.«
    »Keine Ursache«, erwiderte ich steif. »Ich meine, du weißt schon, ach – egal. Ich habe den Schlüssel in deiner Tasche gefunden und wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen …«
    »Du hast das Richtige getan.« Gobi sah sich in demÜbungsraum um und reckte die Zehen nach oben. »Ich habe drei Jahre in diesem Zimmer verbracht«, sagte sie. »Hier habe ich mich auf meine Reise in die USA vorbereitet.«
    »Du hast hier trainiert?« Ich sah Erich an. »Mit ihm?«
    Sie warf ihm einen Blick zu, und Erich nickte, es lag immer noch dieser unterkühlte, teilnahmslose Ausdruck in seinen Augen. »In diesem Land«, sagte er, »muss jeder Mann in der Armee dienen. Nachdem mein Vater entlassen wurde, hat er dieses … Hotel gegründet. Wir haben es bis zu seinem Tod gemeinsam geführt, dann habe ich es übernommen. Aber eigentlich ist es kein Hotel.«
    »Ach, wirklich?« Mein Blick wanderte über die an den Wänden befestigten Maschinenpistolen. »Ich wollte mich schon nach der Minibar erkundigen.«
    Erich lächelte höflich. »In gewissen Geheimdienstkreisen gibt es ein Sprichwort. ›Herr Schöneweiß hat ein Hotel in Zermatt, aber ohne Gäste.‹ Trotzdem bieten wir besonderen Kunden auf privater Basis Unterkunft.«
    »Besonderen Kunden?«
    »Nicht alles, was ich unterrichte, ist streng genommen legal. Eigentlich ist einiges sehr illegal. Im Keller habe ich einen schalldichten Schießstand und einen kleinen Sprengplatz. Spionage, Überlebenstraining, Rückzug und Verhörtechniken, Telefonüberwachung und Beobachtung. Das Einzige, was man bei mir nicht machen kann, ist –«
    »Der Führerschein?«
    Erich hob eine Augenbraue und war zum ersten Mal überrascht. »Woher weißt du das?«
    »Nur geraten.« Ich dachte an den Broadway, unten am Union Square, an den Geruch qualmender Jaguar-Reifen,als ich in die 14th Street eingebogen war und Gobi neben mir die Entfernungen berechnete. »In dieser Hinsicht habe ich selbst schon ein paar Erfahrungen gesammelt.«
    *
    Schließlich ließ mich Erich doch noch in seine Wohnung, wo ich duschen und mir eine markenlose Jeans, die nur ein bisschen zu groß war, und ein schwarzes langärmeliges Hemd anziehen konnte, das im Vergleich zu dem überstylishen Euro-Anzug, den ich seit Venedig trug, durchaus bequem war. Als ich wieder rauskam, stand er in der Küche und schnitt Knoblauch, während Gobi einen Obstsalat machte. Ich sah schweigend zu, wie sie mit Hochgeschwindigkeit Ananas, Mango und Melone schnippelte. Es kam mir vor, als schaute ich einer hochprozentigen Mischung aus einem Thriller und einer Kochsendung zu.
    »Was ist das?«, fragte ich.
    »Spinat-Frittata.«
    »Nicht das.« Ich zeigte mit dem Finger darauf. »Das da.«
    Erich schaute nach hinten ins angrenzende Zimmer, auf den Computerbildschirm auf dem Schreibtisch. Ich erkannte Paulas iPad wieder, das an den Rechner angeschlossen war. Endlose Reihen von IP-Adressen scrollten über den Bildschirm.
    »Ich scanne die empfangenen und verschickten Nachrichten des iPad, besonders die E-Mail des Fotos, das sie erhalten hat. Jetzt hängt es von dem Grad der Verschlüsselung ab, den deine Freundin benutzt hat –«
    »Exfreundin.«
    »Klar.«
    Ich holte tief Luft. »Schon was gefunden?«
    »Das eine oder andere, ja.« Er ging zum Schreibtisch und klickte mit der Maus, was den Datenfluss so weit verlangsamte, dass man die einzelnen Code-Folgen lesen konnte. »Leider sieht es so aus, als würden Armitages Leute ihre Nachrichten durch mehrere verschiedene Server umleiten. Deshalb könnte deine Familie in Reykjavik, Port-au-Prince, Las Vegas oder in so gut wie jeder europäischen Stadt sein.«
    »Besser kriegen Sie’s nicht raus?«
    »Dazu braucht es mehr Zeit. Und vielleicht auch eine schnellere Ausrüstung, als sie mir hier zur Verfügung steht.« Er holte ein Handy hervor und warf Gobi einen Blick zu. Dann ging er aus dem Zimmer. »Entschuldige mich mal kurz.«
    Ich wartete, bis die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, dann sah ich Gobi an, die auf der anderen Seite des Tisches stand. Sie war mit dem Salat fertig und sah sich um, ob sie noch etwas anderes kleinschnippeln konnte. »Als du hier mit ihm trainiert hast, dann hast

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