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Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
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Aufnahmewinkel, aber er sah sich plötzlich überhaupt nicht mehr ähnlich. »Ich habe dir bereits gesagt, dass nichts vorgefallen ist.«
    »Und das soll ich dir glauben?«
    »Momentan ist es mir, ehrlich gesagt, ziemlich egal, was du glaubst.«
    Das war das Dümmste, was er in jeder Hinsicht hätte sagen können, und am liebsten hätte ich ihn durch den Bildschirm erwürgt. Mom sackte in sich zusammen und fing einfach an zu heulen. Es war ein schreckliches Geräusch, heiser und kratzig, als hätte sie auf einmal eine schreckliche Erkältung erwischt. Annie rührte sich im Schlaf, zog die Knie an und kuschelte sich in Moms Arme, wachte aber nicht auf. Ich konnte nur hoffen, dass sie wirklich schlief.
    »Nun komm«, sagte Dad, »so habe ich es nicht gemeint.« Als er die Hand nach ihrem Arm ausstreckte, zuckte sie weg.
    »Fass mich nicht an.«
    »Julie –«
    » Nicht! «
    »Na schön«, sagte er müde. »Aber ich möchte, dass du mir zuhörst. Ich weiß nicht, was hier vor sich geht. Ich weiß nicht, warum wir hier sind. Offensichtlich ist Paula nicht die, für die sie sich ausgegeben hat.«
    »Offensichtlich.« Der Sarkasmus in Moms Stimme hätte die Isolation der Lautsprecherkabel wegfressen können.
    »Das habe ich nicht gemeint.«
    Mom starrte auf irgendeinen Punkt, der von der Kamera nicht erfasst wurde. »Hat sie nicht davon gesprochen, dass wir morgen hier rauskommen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Du hast so getan, als würde es dir etwas sagen.«
    Dad schüttelte den Kopf. »Ich wollte sie dazu bringen, uns mehr zu verraten. Irgendwas. Vielleicht etwas über Perry.«
    Mom setzte sich gerade hin und sah ihn an. »Glaubst du, dass sie ihn irgendwo gefangen halten?«
    »Keine Ahnung.«
    »Würde sie es dir sagen, wenn du sie fragen würdest?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Versuch es trotzdem.«
    »Mach ich.«
    »Er hat nicht mal mehr einen Reisepass«, sagte meine Mom, und es hörte sich an, als würde sie gleich wieder anfangen zu weinen. »Er hat überhaupt nichts mehr.«
    »Mal sehen, was ich in Erfahrung bringe, wenn sie wiederkommt. Aber glaube mir, Julie, Gott ist mein Zeuge, dass nie etwas zwischen mir und dieser Frau gewesen ist.«
    Mom schwieg ziemlich lange. Als sie schließlich wieder etwas sagte, klang ihre Stimme kalt und distanziert.
    »Einverstanden«, sagte sie.
    »Ehrlich?«
    »Was die Tatsache angeht, dass das momentan überhaupt keine Rolle spielt«, stellte sie klar. »Momentan hoffe ich nur, dass es Perry gutgeht.«
    Dad sah sie an, aber sie sagte nichts mehr.
    Dann war der Clip zu Ende.

30
    »Timebomb«
    – Beck
    Ich stand reglos hinter Erich und starrte auf den Bildschirm. Das Komische am seelischen Gleichgewicht ist, dass einem nicht bewusst wird, wie sehr man davon abhängig ist, bis jemand daherkommt und dir den Boden unter den Füßen wegreißt. Erich beugte sich vor, tippte etwas in die Tastatur, woraufhin sich kleine Klicks zu etwas oder auch nichts zusammenfügten, und es war mir alles vollkommen egal. Selbst Gobis Hand auf meiner Schulter spürte ich kaum.
    »Tut mir leid, Perry. Dein Vater –«
    »Ja.« Ich drehte mich um, zumindest drehten sich meine Beine, und sie nahmen den Rest von mir mit. Auf einmal wollte ich nicht mehr darüber reden. Darüber reden bedeutete, darüber nachzudenken, und man musste nicht sonderlich lange darüber nachdenken, wie einfach es Paula gefallen sein musste, meinen Dad zu benutzen, so wie sie mich benutzt hatte, um an Informationen über Gobi heranzukommen, sein Vertrauen zu gewinnen, bis er schließlich – und mit ihm seine Familie – verwundbar war. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Dad versucht, Paulas Annäherungen zu widerstehen – ich wollte ihn vor mir sehen, wie er sie von sich stößt, wie er ihr sagt, wie falsch das alles wäre, dass sie schließlich mit seinem Sohn gehe. Dass er so etwas nie tun könne. Man konnte Fehler machen, und mankonnte Fehler machen. Und man konnte etwas absolut falsch machen.
    Ich kannte ihn zu gut.
    Und Gobi auch.
    Ich gab mir Mühe, so ruhig wie möglich zu reden. »Wie lange dauert es noch, bis du rausgefunden hast, woher das geschickt wurde?«
    »Nicht mehr lange«, sagte Erich und gab eine Reihe weiterer Befehle ein. Der Bildschirm blinkte immer wieder auf. »Sie befinden sich irgendwo in Westeuropa. Den genauen Ort habe ich bald. Ein paar Minuten noch.«
    »Sehr gut«, sagte ich. »Jetzt würde ich wirklich gerne irgendwas kaputtschlagen.«
    *
    Das Brett in Gobis Händen war zehn Zentimeter dick und

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