Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wiedersehen in Harry's Bar

Wiedersehen in Harry's Bar

Titel: Wiedersehen in Harry's Bar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Schreiber
Vom Netzwerk:
gerade breit genug, dass ich mir Dads Gesicht darauf vorstellen konnte. Ich sah, wie es sich in das Gesicht von Armitage verwandelte, dann in das von Paula, dann wieder in Dads, dann in eine verrückte Mischung aus allen dreien. Ich ballte meine Finger zur Faust. Mit jeder Sekunde, die ich zögerte, wurde das Verlangen zuzuschlagen immer stärker. Es beherrschte meine Schulter bis in den Arm und die Hand hinein, bis so etwas wie eine vibrierende elektrische Spannung aufgebaut war.
    Erich stand neben mir. Seine Stimme war geduldig und unaufgeregt. »Beim Taekwondo«, sagte er, »liegt der Schlüssel darin, sich auf etwas jenseits deines Zieles zu konzentrieren, so dass du letztendlich durch es hindurch schlägst. Um dieses Brett zu zerbrechen, muss deine Hand eine Geschwindigkeit von ungefähr zehn Meter pro Sekunde erreichthaben, wenn sie darauftrifft. Stell dir deine Faust als Kugel vor, die aus einem Gewehr abgefeuert wird. Stell dir vor, wie sie durch das Brett hindurchschlägt. Bist du bereit?«
    Ich nickte, überprüfte meinen Stand, machte eine Faust und drehte einen Knöchel, wie er es mir gezeigt hatte, ein wenig nach außen. Ich spürte das Blut in den Schläfen hämmern. Dann legte ich die gesamte Kraft meines Körpers in den Schlag. Als meine Knöchel dagegen krachten, war ein lautes Tschack zu hören, und ein greller Schmerz zuckte durch meinen Arm bis in die Schulter, wo er zu explodieren schien. Ich krümmte mich, hielt mir die Hand und versuchte, weder ohnmächtig zu werden noch einzupinkeln.
    »Du bist noch nicht richtig konzentriert.« Erichs Stimme drang durch den Schmerz zu mir durch. »Wut ist etwas anderes als Konzentration.«
    »Aha«, keuchte ich. »Vielen Dank.«
    »Überprüfe deinen Puls.«
    Ich legte die Fingerkuppen meiner unversehrten Hand seitlich an den Hals. Der Puls raste so schnell, dass ich ihn fast nicht zählen konnte. Ich atmete mehrmals tief durch und wartete, bis er wieder zwischen sechzig und siebzig war.
    »Versuch es noch mal.«
    »Nein, danke.« Ich schüttelte den Kopf. »Dieses Brett kriegt keiner durch.«
    Erich sah Gobi an, dann stellte er seine Füße parallel zu den Schultern. Ein Ausdruck absoluter Konzentration, beinahe von Abgeklärtheit, legte sich über sein Gesicht. Ich sah, wie er ausholte und die Faust direkt auf das Brett stieß.
    Die gesamte Wand explodierte vor unseren Augen.

31
    »Blow Up the Outside World«
    – Soundgarden
    »Panzerfaust«, rief Erich. Seine Stimme war im Nachbeben nur undeutlich zu hören.
    Ich kroch nach hinten, und der Computerfreak in mir konnte an nichts anderes als an PC-Kriegsspiele denken.
    Gobi stieß mich zur Seite, als eine breite Garbe orangefarbener Flammen durch den Trainingsraum fauchte. Putz- und Metallstücke sowie Glassplitter kamen durch einen bitterkalten Wind hereingeprasselt, und durch das Loch in der Wand sah ich, dass es draußen dunkel war. Die Nacht war hereingebrochen. Da es hier keine Fenster gab, jedenfalls bis zu diesem Augenblick noch nicht, hatte ich keine Ahnung, wie spät es eigentlich war.
    »Diese Außenwände bestehen aus achtzehn Zentimeter dickem Stahl«, sagte Erich jetzt. »So etwas ist eigentlich unmöglich.«
    »Ach du Scheiße.«
    »Bleib unten.« Ohne sich nach mir umzudrehen, schloss er den Wandschrank mit den automatischen Waffen auf und holte etwas heraus, das wie eine AK-47 und ein Bananenmagazin aussah, steckte alles zusammen und warf das geladene Gewehr quer durch den Raum zu Gobi hinüber. Sie fing es mit einer Hand, wobei sie nicht einmal richtig hinsah. Erich griff noch einmal in den Schrank und suchte eine sogar noch größere Maschinenpistole für sich aus,setzte das Nachtsichtgerät auf und schnappte sich dann zwei Kampfwesten, von denen er eine Gobi und die andere mir reichte. »Zieh die an, wenn du nicht sterben willst.«
    Das hörte sich nach einem guten Plan an, zumindest das mit dem Nicht-sterben-wollen. Ich griff nach der Weste und hätte sie fast fallen gelassen, dann schob ich die Arme durch die Gurte und spürte zwanzig Pfund kugelsicheres synthetisches Polymer auf meinen Schultern und meinem Nacken wie ein Joch. Vielleicht retteten einem die Dinger auf genau diese Weise das Leben: Sobald man sie angelegt hatte, ist man nicht mehr in der Lage, das Haus zu verlassen.
    Eine zweite raketengetriebene Granate krachte mit einem lauten RUMMS in das schon halbzerstörte Trainingszimmer , dass einem die Lungen flatterten. Dieses Geschoss war direkt von unten gekommen, und ich

Weitere Kostenlose Bücher